Das Auge der Ueberwelt
vertrauenswürdig? Verlangt er wirklich keine Gebühr?«
»Richtig«, sagte Cugel. »Zaraides, der anscheinend allwissend ist, hat Freude daran, dieses Wissen anderen mitzuteilen. Meine Probleme sind gelöst.«
Fabeln musterte ihn von der Seite. »Warum wartest du dann neben der Höhle?«
»Auch ich bin ein Freund von Wildgemüse und stelle gerade Überlegungen an, die eine nahe Lichtung betreffen, auf der wilder Lauch im Überfluß wachsen soll.«
»Wirklich?« sagte Fabeln und schnippte mit den Fingern. »Nun, überlege nur weiter, und während du deine Gedanken ordnest, werde ich hineingehen und mich wegen der Krankheit meiner Tochter erkundigen.«
Damit betrat Fabeln die Höhle. »Zaraides?« rief er. »Wo ist Zaraides, der Weise? Ich bin Fabeln und möchte Erkundigungen einholen. Zaraides? Sei so gut, dich zu melden!« Seine Stimme wurde undeutlich. Cugel, der aufmerksam lauschte, hörte das Öffnen und Schließen einer Tür, dann wurde es still. Nachdenklich wartete er ab.
Minuten vergingen ... und eine Stunde. Die rote Sonne zog über den Nachmittagshimmel und tauchte jenseits des Hügels in den Wald ein. Cugel wurde unruhig. Wo steckte Fabeln? Er legte den Kopf auf die Seite: wieder das Öffnen und Schließen der Tür? Tatsächlich, und da war Fabeln. Also war alles in Ordnung!
Fabeln blickte aus der Höhlenöffnung. »Wo ist Cugel?« Seine Stimme war barsch. »Zaraides will sich nicht zu Tisch setzen, noch will er über wilden Lauch sprechen, solange du nicht zu ihm kommst.«
»Eine Mahlzeit?« fragte Cugel mit erneuertem Interesse. »So weit geht Zaraides' Großzügigkeit?«
»In der Tat. Hast du nicht die Halle mit den Wandteppichen gesehen, die kristallenen Humpen und die silberne Terrine?« Fabeln sprach mit einer melancholischen Betonung, die Cugel verwunderte. »Aber komm; ich bin in Eile und kann nicht warten. Wenn du bereits gegessen hast, werde ich es Zaraides sagen.«
»Nicht doch«, sagte Cugel mit Würde. »Ich würde mich schämen, Zaraides' Großzügigkeit so zu mißachten. Geh voraus; ich folge.«
Fabeln drehte um, und Cugel folgte ihm in die Höhle, wo ihm ein abstoßender Geruch entgegenschlug. Er hielt inne. »Ich scheine einen Gestank zu bemerken, der mich unangenehm berührt.«
»Den bemerkte ich auch«, sagte Fabeln. »Aber hinter der Tür riechst du nichts mehr davon.«
»Hoffen wir es«, sagte Cugel. »Mein Appetit würde darunter leiden. Wo ...?«
Kleine, flinke Körper überfielen ihn, feuchtkalt und den Gestank ausdünstend, den er so abstoßend fand. Hohe, quietschende Stimmen lärmten durcheinander; Degen und Beutel wurden ihm weggenommen; eine Tür wurde geöffnet; Cugel wurde in einen niedrigen Bau geworfen. Im Licht einer flackernden gelben Flamme sah er seine Fänger: Geschöpfe von der Größe sechsjähriger Kinder, von bleicher Hautfarbe, mit spitzen Gesichtern und Ohren oben auf den Köpfen. Sie gingen ein wenig vorwärtsgeneigt, und ihre Knie schienen anders als diejenigen normaler Menschen nach hinten abzuknicken. Ihre Füße steckten in Sandalen und schienen sehr weich und biegsam zu sein.
Cugel starrte verwirrt umher. In seiner Nähe kauerte Fabeln und betrachtete ihn mit boshafter Befriedigung. Cugel sah jetzt, daß ein Metallband mit anhängender Kette Fabelns Hals umschloß. An anderen Ende des Baus saß ein alter Mann mit langem weißem Haar, und auch er war mit Halsband und Kette ausgestattet. Während Cugel noch beschäftigt war, dies alles zu registrieren, legten die Rattenleute auch ihm einen Eisenkragen um den Hals. »Laßt das!« rief er entsetzt. »Was hat das zu bedeuten? Was ist das für eine Behandlung!«
Die Rattenleute gaben ihm einen Stoß und eilten fort. Cugel sah, daß sie lange schuppige Schwänze hatten, die ihren schwarzen Arbeitskitteln entragten. Die Tür wurde geschlossen; die drei Männer waren allein.
Cugel wandte sich zornig an Fabeln. »Du hast mich hereingelegt; du hast mich in die Gefangenschaft geführt! Das ist ein schweres Verbrechen!«
Fabeln lachte bitter auf. »Nicht schlimmer als deine Täuschung! Durch deinen Halunkentrick kam ich in Gefangenschaft, darum sorgte ich dafür, daß es dir nicht anders erging.«
»Das ist eine unmenschliche Bosheit!« schrie Cugel. »Ich werde zusehen, daß du deinen gerechten Lohn erhältst!«
»Pah«, sagte Fabeln. »Du langweilst mich mit deinem Geschrei. Außerdem habe ich dich nicht allein aus Bosheit in die Höhle gelockt.«
»Nein? Du hast noch andere, perverse
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