Das Auge der Wüste: Das Geheimnis von Askir 3 (German Edition)
alles, was uns schadet, auf ihn zurückzuführen wäre. Selbst wenn es, wie vermutet wird, ein Attentat war, muss es nicht von ihm ausgegangen sein.«
»Aber zuzutrauen wäre es ihm«, wiederholte Leandra meine Worte.
»Ja. Nach allem, was ich von ihm weiß, gibt es kaum etwas, zu dem er nicht fähig wäre. Aber er ist nicht allmächtig. Der Sitz seiner Macht ist mehr als neunhundert Meilen von der Kronburg entfernt und noch weiter von Gasalabad. Egal wie viel Macht er hat, das muss ihn hindern.«
»Aber seine Macht ist gewaltig«, sagte Leandra leise. »Wer weiß, was er zu tun vermag?«
Ich lachte gequält und geleitete sie durch die hohen Säulen der Bibliothek in die Halle der Schreiber hinein. »Vielleicht will er ein Gott werden, wie ich gehört habe. Aber noch ist er es nicht. Auf wie viele Dinge kann sich ein Mensch konzentrieren? Eines der wesentlichsten Dinge, die ich von dir über die Magie gelernt habe, ist, dass sie immer Konzentration erfordert. Ein Beispiel: Selbst wenn er imstande wäre, uns jetzt gerade direkt zu belauschen, über diese riesige Entfernung hinweg, wie will er wissen, wann wir etwas für ihn Wichtiges besprechen? Und an wie vielen anderen Orten seines Reiches geschieht etwas von gleicher Wichtigkeit, das er dann versäumen muss? Nein. Er selbst mag die Macht dazu haben, aber er kann sich nicht um alles selbst kümmern. Also haben wir es mit anderen zu tun, seine Diener zwar, aber solche, die nicht seine Macht besitzen.«
»Ein beruhigender Gedanke.«
»Das bedeutet nicht, dass wir bestehen können.« Ich dachte an Ordun zurück. Ich war ihm hoffnungslos unterlegen gewesen. »Aber wir haben eine Chance.«
Ich hielt einen Moment inne, um mich zu orientieren.
»Dort entlang, denke ich«, sagte Leandra. »Ich glaube, es war dieser Gang.«
Sie hatte recht. Ab dann kannte ich mich wieder aus und wir fanden das Archiv und Abdul ohne Schwierigkeiten.
21. Die Prüfung des Löwen
Als der Archivar uns sah, erhob er sich und verbeugte sich tief. »Die Götter schenken mir einen angenehmen Tag. Es ist mir ein Vergnügen, die Esserin in meinen bescheidenen Räumen willkommen zu heißen und meine Augen im Glanz der Schönheit der Essera zu sonnen!«
»Guten Morgen, Abdul«, sagte ich. »Sagt, verstehen alle Männer Bessareins so schamlos zu schmeicheln?«
»Oh, Ihr versteht nicht, es ist kein Schmeicheln. Die Götter gaben uns einen Sinn für das Schöne und die Frauen, um den Mann zu erfreuen. Was ist dabei, wenn ich offen gestehe, dass auch mich die Schönheit der Essera noch berührt?«
»Ich danke für die Komplimente.« Leandra lächelte. »Sie sind ungewohnt in unserer Kultur.«
»Dann sind die Männer Eures Landes zu bedauern, wurden sie doch von den Göttern mit Blindheit geschlagen. Wie soll eine Frau Gefallen an einem Mann finden, wenn er ihr nicht zeigt, wie sehr er sie schätzt?«
Leandra warf mir einen Blick zu. »O doch, manche können es zeigen. Sie sind nur wortkarg dabei«, sagte sie dann.
»Die Götter haben in ihrer Weisheit bestimmt, dass die Menschen nicht überall gleich sind, dafür darf man dankbar sein, es macht das Leben abwechslungsreicher. Aber ihr seid nicht gekommen, um den Worten eines alten Mannes zu lauschen, was kann ich also für euch tun?«
Ich fixierte Abdul. »Ihr wisst viel. Wisst Ihr auch etwas über den Wert von Diskretion?«, fragte ich ihn.
»Selbstverständlich«, sagte Abdul. »Ich kann Euch versichern, dass wir hier allein sind und nicht belauscht werden können.« Er sah mich mit wachen Augen an. »Warum wäre solche Diskretion angebracht?«
»Was haltet Ihr von dem Haus des Löwen, von dem Emir und Faihlyd oder Marinae?«, fragte Leandra.
»Ihr seid direkt. Ich würde euch gerne meine Diskretion beweisen, indem ich mich nicht dazu äußere.« Er richtete sich auf. »Warum sollte es euch etwas angehen?«
Ich fixierte ihn weiter, und er begegnete meinem Blick offen.
»Wir sind Fremde hier, aber wir hatten die Ehre, die Familie des Emirs kennenzulernen. Wir respektieren das Haus des Löwen, und wären wir nicht anderweitig verpflichtet, würden wir seinem Banner folgen.«
Nun war es an mir, eine eingehende Musterung zu erdulden. Schließlich nickte er. »Kennt Ihr auch die ehrenwerte Essera Falah?«, fragte er.
Ich nickte.
»Sie war einst mein Patron und führte mich in die Welt der Schriftrollen und Bücher ein. Sie gab meinem Leben einen Sinn und meinem Herzen Weisheit. Ihr Status lag weit über dem meinen, und doch sind wir
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