Das Auge der Wüste: Das Geheimnis von Askir 3 (German Edition)
der heute hier geladen war, erneut empfangen, aber für diesen Tag soll das Volk seines weisen Emirs, meines Vaters, gedenken. Geht und betet für sie beide.«
Sie kniete sich hin und senkte das Haupt, Eiswehr glitzerte vor ihr. Sie verharrte so, und allmählich bewegte sich die Menge. Leise murmelnd, kopfschüttelnd, manchmal auch ungläubig blickend oder weinend verließen die geladenen Gäste den Thronsaal.
Ich wollte mich auch erheben, aber Falah schüttelte den Kopf. »Bleibt. Ich will wissen, was hier geschehen ist.« Sie erhob sich mühsam, als hätte die Last ihrer Jahre sie in diesem Moment vollends eingeholt, und ging dorthin, wo Marinae gestorben war, bückte sich und hob eine blutverschmierte schwarze Perle auf, die im nächsten Moment wieder weiß wurde. Nachdenklich musterte sie die Perle, dann schloss sich ihre Hand um das Kleinod und sie wandte ihre Aufmerksamkeit Helis zu.
Diese hatte sich wieder vorgebeugt und wiegte erneut eine zufrieden glucksende Faraisa in ihren Armen, aber nur scheinbar war sie wie vorher. Ihre ganze Haltung hatte sich verändert. Etwas, das den fahlen Augen der Essera kaum entgangen war. Nur die Perlen und Eiswehr hatten es Faihlyd ermöglicht, sich der Nekromantin in der Haut ihrer Schwester zu erwehren, und beides hatte Helis ihr gegeben. Die Antworten auf die Fragen, die ich in den Augen der Essera las, waren auch für mich von Belang. Doch dann trat die Essera an den Leichnam des Emirs heran, und als sie sanft eine Hand auf das Haupt ihres toten Sohnes legte, sah ich zur Seite. Was für einen Schmerz musste eine Mutter verspüren, wenn ihr Kind vor ihr starb?
Doch jetzt wurde hinter uns der Vorhang geteilt. Faihlyd erhob sich, sah kurz zu uns hinüber und gab uns ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie schob Eiswehr in die Scheide und reichte das Schwert wortlos an Sieglinde weiter, die es mit großen Augen annahm. Auch Leandra und ich griffen unsere Schwerter, dann folgten wir Faihlyd durch die Tür hinter dem Thron des Löwen.
Es war Falah, mit tränennassen Augen, doch entschlossen wirkend, die uns den Weg zu einem Raum wies, in dem gut ein Dutzend Stühle um einen großen Tisch standen. Auf ein Zeichen von ihr verließen die Wachen den Raum, ich hörte, wie die schwere Tür abgeschlossen wurde.
»Könnte«, sagte Falah und setzte sich auf einen der Stühle, »mir jemand freundlicherweise erklären, was, bei allen Göttern, eben hier vorgefallen ist?« Ihre Augen glänzten noch feucht, aber ihre Stimme war fest. Es war klar, von wem Faihlyd ihren Willen und ihre Ausstrahlung geerbt hatte, dies war die wahre Macht Gasalabads, und sie würde nicht Ruhe geben, bevor sie zur Gänze erfuhr, was heute geschehen war.
»Und was ist mit dieser Perle?«, fragte Faihlyd und griff sich ratlos an die Stirn. Die weiße Perle glänzte matt auf ihrer Haut und schien zur Hälfte darin versunken. Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »Nun setzt euch schon! Ich weiß, dass ihr den Schlüssel zu den Geschehnissen in den Händen haltet.« Sie war noch immer bleich und ihre Hände zitterten fast unmerklich, doch sie hatte ihre Fassung bereits wiedergewonnen.
Wir setzten uns.
»Wenn Ihr erlaubt, werde ich es Euch erklären.« Unbegreiflicherweise hatte Helis das gesagt. Armin starrte sie an, er war aschfahl. Wir anderen waren nicht minder verblüfft, auch wenn jeder von uns schon eine unvorstellbare Ahnung haben musste. Sieglinde schaute Helis ebenfalls an, aber sie lächelte, obwohl ihr Tränen aus den Augen flossen.
»Marinae, Schwester, Tochter und Enkelin des Hauses des Löwen, verfiel den dunklen Gaben eines Nekromanten. Vielleicht war es auch ihr eigenes Talent. Sogar Ihre Entführung könnte ein abgekartetes Spiel sein. Eine Schriftrolle wurde gefälscht, um zu belegen, dass das Auge Gasalabads den wahren Erben durch ein Leuchten anzeigen sollte. In der Bibliothek wird sich jene Rolle finden, die all das scheinbar belegt und für legitim erklärt, was vorgefallen ist. Das Auge selbst wurde von einem gedungenen und dann ermordeten Juwelier gefälscht, um dieses Leuchten zu ermöglichen, als die Prinzessin es an ihre Stirn drückte. Das echte Auge hat Marinae Faihlyd in einem unbeobachteten Moment entwendet. Durch die Gnade der Götter leuchtete das falsche Auge auch bei Euch, Emira, sodass dieser Plan fehlschlug. Wir spürten die Macht des Nekromanten, der hinter Marinae stand, oder vielleicht war es auch ihre eigene. Sie betörte unsere Gedanken, schuf eine Illusion und hätte
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