Das Auge der Wüste: Das Geheimnis von Askir 3 (German Edition)
geben, Essera. Richtet Eurer Schwester und Großmutter einen Gruß von uns aus.«
»Das wird nicht nötig sein«, hörten wir Faihlyds Stimme. Der Ring der Soldaten teilte sich vor ihr, als sie nähertrat. Ich sah sie überrascht an, denn Faihlyd war für den Kampf gegürtet. Die Rüstung, die sie trug, floss wie flüssiges Silber an ihr hinab und betonte ihre athletische Gestalt. Eine Rüstung, die einer Prinzessin würdig war, aber ohne Zweifel auch das Meisterwerk eines Rüstungsschmieds. Ich kannte Platten- oder Kettenrüstungen, diese Rüstung jedoch schien aus Tausenden von kleinen Schuppen zusammengesetzt zu sein, jede Schuppe überlappte die andere, sodass der Eindruck von fließendem Metall entstand. Die frühe Sonne glänzte auf dem Material und ließ es erstrahlen. Faihlyd trug ihr Schwert auf dem Rücken; sie war nur wenig größer als Zokora, und das Schwert hätte sie, an der Seite getragen, nur behindert.
Faihlyd öffnete die Arme, und Marinae lief ihr entgegen. »Ich bin so froh, dich zu sehen, Schwester!«, rief sie und fing an zu weinen. Faraisa, noch in Helis’ Armen, hörte das Weinen ihrer Mutter, öffnete die Augen und begann zu schreien.
»Dieser Teil der Stallungen wird nur noch selten genutzt«, erklärte uns Faihlyd, als sie uns über das Gelände des Palastes führte. Marinae, Helis und Faraisa waren in den Palast gebracht worden, zumindest Marinae würde später wieder zu uns stoßen, zuerst jedoch wollte sie sich umkleiden und ihrer Großmutter die Urenkelin zeigen. Ich rechnete nicht so bald damit, sie wiederzusehen. Essera Falah mochte vielleicht das Oberhaupt des Hauses des Löwen sein, aber sie würde gewiss einige Zeit mit ihrer verloren geglaubten Enkelin und Urenkelin verbringen wollen.
»Dieser Teil des Palastes ist alt, stammt noch aus der Zeit des Reiches. Damals waren ab und zu noch Greifenreiter zu Gast, und hier gibt es auch Stallungen für Greifen. Deshalb ließ ich Steinwolke hierher bringen.« Sie musterte Janos. »Mein Leibarzt ist dort, er wird Eure Wunden versorgen.«
»Es ist nur eine Fleischwunde«, sagte der breitschultrige Krieger. »Nur ein Kratzer.«
»Ja, ich sehe es«, sagte Faihlyd und warf einen durchdringenden Blick auf das rotgetränkte Tuch an seinem Oberschenkel. »Wir sind gleich da.«
Ich wusste nicht, wie ich mir einen Stall für einen Greifen vorzustellen hatte, aber so gewiss nicht. Er wirkte wie ein kleiner Pavillon, dreiviertel rund mit einer offenen Seite und filigranen Säulen und einem hohen Dach. Hölzerne Läden konnten zwischen den Säulen geschlossen werden, jetzt aber waren sie offen. Dieser Pavillon überdachte eine sandige Kuhle, in der Steinwolke mit aufgeplusterten Federn lag.
Ein Junge, kaum älter als zehn, stocherte vorsichtig mit einem hölzernen Instrument, das einem Rechen mit groben Zinken glich, zwischen ihren Federn herum, sein Gesicht ein Ausdruck höchster Anspannung.
Ein anderer Junge kniete neben ihr und hielt einen Steinguttopf in der Hand. Ein hölzerner Spachtel erschien zwischen den Federn und wurde in den Topf getaucht, und mit einer Paste versehen verschwand der Spachtel wieder im Federkleid.
»Einen deutlicheren Beweis für die Gutmütigkeit eines Greifen gibt es kaum«, sagte Leandra leise, ihre Augen glänzten feucht.
»Ja«, stimmte ihr Faihlyd zu. »Sie mag Kinder. Erwachsene schätzt sie weniger.«
Ein älterer Mann saß auf einer Bank unweit des Greifenpavillons und erhob sich, als er uns nahen sah. Neben ihm lagen gut ein Dutzend Schriftrollenbehälter auf der Bank.
»Das ist Perin da Halat. Er wird sich um eure Wunden kümmern.« Aus einem nahe gelegenen Gebäude eilten Diener mit Stühlen und einem Tisch herbei, und innerhalb weniger Minuten war ein Platz für uns gerichtet. In kostbaren Karaffen befanden sich Getränke und auf silbernen Schalen Obst, sowohl frisch als auch kandiert. Momente später war auch ein Baldachin errichtet, der uns Schatten spendete.
Ich legte Seelenreißer und meine anderen Waffen etwa zwei Schritt von dem Baldachin entfernt auf den Boden, die anderen taten es mir nach. Es war eine Geste; ein Bannschwert vermochte sich auf kurze Distanz von selbst in die Hand seines Herrn zu bewegen.
Eine Geste nur, aber die gut zwei Dutzend Palastwächter, die sich in Sicht-, aber nicht in Hörweite aufhielten, entspannten sich spürbar.
Während der Arzt Janos versorgte, traten Faihlyd, Leandra und ich näher an Steinwolke heran. Sie hatte ihren Kopf unter ihren linken Flügel
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