Das Auge des Leoparden
Badezimmerfenster ist nicht angerührt worden, und er kehrt zu den Türen zurück.
Dann hört er ein scharrendes Geräusch auf der Terrasse und denkt: das Dach. Sie versuchen in die obere Etage zu gelangen, indem sie auf das Dach der Terrasse klettern. Erneut nimmt er die Treppe in die obere Etage. Zwei Gästezimmer haben Fenster zur Terrasse, beide sind mit Stahlgittern gesichert. Die Zimmer werden nur selten benutzt. Vorsichtig schiebt er die Tür des ersten Zimmers auf, tastet sich bis zum Fenster vor und fährt mit den Fingern über die dünnen Eisenstangen, die in den Zement eingelassen sind. Er verläßt das Zimmer wieder und schiebt die Tür zum nächsten auf. Das Scharren auf dem Dach der Terrasse kommt näher. Er tastet sich in der Dunkelheit vor und streckt die Hand nach dem Gitter aus, doch seine Fingerspitzen berühren die Fensterscheibe. Das Gitter ist nicht mehr da. Jemand muß es entfernt haben.
Luka, denkt er. Luka, der genau weiß, daß ich diese Zimmer so gut wie nie betrete. Ich werde ihn umbringen, ihn erschießen und den Krokodilen zum Fraß vorwerfen, ihn nur verletzen und bei lebendigem Leib von den Krokodilen zerfleischen lassen. Er zieht sich zur Tür zurück, streckt die Hand nach einem Stuhl aus, der dort immer steht, und setzt sich.
Die Schrotflinte ist mit vier Patronen geladen, in der Trommel des Revolvers sind sechs. Das muß reichen, denkt er verzweifelt. Nachladen kann ich mit meinen zitternden Händen nicht. Der Gedanke an Luka beruhigt ihn plötzlich, die Bedrohung in der Dunkelheit hat ein Gesicht bekommen. Er verspürt den seltsamen Wunsch, die Waffe auf Luka zu richten und abzudrücken. Das Scharren auf dem Dach der Terrasse hört auf. Jemand preßt ein Werkzeug unter die Fensterleiste, um das Fenster aufzubrechen. Unwillkürlich kommt ihm der Gedanke, daß es bestimmt eines seiner eigenen Werkzeuge ist. Jetzt schieße ich, denkt er. Jetzt feuere ich beide Läufe ab. Kopf und Oberkörper müssen sich unmittelbar hinter der Scheibe befinden.
Er steht in der Dunkelheit auf, tritt ein paar Schritte vor und legt an. Seine Hände zittern, die Gewehrläufe tanzen auf und ab.
Beim Abdrücken soll man die Luft anhalten, hat jemand ihm beigebracht. Jetzt töte ich einen Menschen, denkt er. Auch wenn es Notwehr ist, handle ich doch vorsätzlich. Er merkt, daß ihm Tränen in den Augen stehen, und drückt ab, erst einmal, dann unmittelbar darauf ein zweites Mal.
Der Knall der Schüsse hallt in seinen Ohren nach, Glassplitter treffen ihn im Gesicht. Der Rückschlag wirft ihn an die Wand, wodurch er mit der Schulter den Lichtschalter berührt. Aber statt das Licht wieder zu löschen, schreit er nun los und läuft zu dem herausgeschossenen Fenster. Jemand hat die Scheinwerfer seines Wagens eingeschaltet. Zwei schwarze Schatten stehen vor dem Auto, und er glaubt Luka in einem von ihnen zu erkennen. Er zielt hastig und schießt auf die beiden Schatten. Der eine stolpert, während der andere schnell verschwindet. Er vergißt, daß noch eine Patrone in der Schrotflinte ist, läßt sie zu Boden fallen und zieht den Revolver. Vier Schüsse feuert er auf den Schatten ab, der gestolpert ist, ehe er begreift, daß auch er verschwunden ist.
Er entdeckt, daß das Dach der Terrasse voller Blut ist, bückt sich nach dem Gewehr, löscht das Licht und schließt die Tür. Anschließend setzt er sich im Flur auf den Fußboden und lädt nach. Seine Hände zittern, das Herz pocht wie wild in seiner Brust, und er muß all seine Konzentration aufbringen, um die Waffen nachzuladen. Er denkt, daß er jetzt am liebsten schlafen würde, bleibt jedoch im Flur sitzen und wartet darauf, daß es Tag wird. Im ersten Morgengrauen zieht er den Schrank zur Seite und öffnet die Küchentür. Die Autoscheinwerfer sind erloschen, die Batterie ist leer. Luka ist nirgendwo zu sehen. Langsam, das Gewehr immer noch in der Hand, geht er zur Terrasse.
Die Leiche ist mit dem Fuß in einem Fallrohr hängengeblieben und hängt kopfüber zwischen einigen Kakteen, die Judith Fillington gepflanzt hat. Ein blutiges Leopardenfell hängt um die Schultern des toten Afrikaners. Mit dem Stiel einer Harke stößt Hans Olofson gegen den Fuß der Leiche, die daraufhin herunterfällt. Obwohl von dem Gesicht kaum etwas übriggeblieben ist, erkennt er sofort, daß der Tote Peter Motombwane ist. In seinem Blut schwirren bereits die Fliegen. Von der Terrasse holt er eine Tischdecke, die er über die Leiche wirft. Neben dem Auto ist eine
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