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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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in einen abgeschlachteten Tierkadaver verwandelt. Er muß zu allem entschlossen gewesen sein, denn er wußte, daß ich Waffen besitze. Also schreckte er auch nicht davor zurück, sein Leben zu opfern. Jetzt wird mir klar, daß er mich warnen und zur Abreise bewegen wollte, um dem Unumgänglichen zu entkommen. Aus seinen Erkenntnissen entwickelte sich vermutlich traurige Verzweiflung und die Überzeugung, zu jedem Opfer bereit sein zu müssen.
    Der Mann, der über mein Dach schlich, war kein Bandit. Er war ein Mann mit Überzeugungen, der sich einen Auftrag erteilt hatte, dessen Ausführung er für notwendig hielt. Auch das darf ich nie vergessen. Als ich ihn erschoß, tötete ich vielleicht einen der besten Menschen in diesem gepeinigten Land. Einen Menschen, der mehr zu bieten hatte als Zukunftsträume, weil er bereit war zu handeln. Als ich Peter Motombwane erschoß, tötete ich die Hoffnung vieler Menschen.
    Er wiederum glaubte, mein Tod sei unumgänglich. Es war keine Rache. Ich glaube nicht, daß jemand wie Peter Motombwane sich von derartigen Gefühlen leiten ließ. Er stieg auf mein Dach, weil er verzweifelt war. Er wußte, was in diesem Land vorgeht, und sah keinen anderen Ausweg, als sich der Bewegung der Leoparden anzuschließen und verzweifelten Widerstand zu leisten, um eines Tages doch noch den notwendigen Aufstand zu erleben. Hat er diese Bewegung vielleicht sogar gegründet? Handelte er auf eigene Faust oder zusammen mit wenigen Mitverschworenen, oder sorgte er für genügend Nachwuchs, ehe er selbst zum
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griff?
    Hans Olofson geht zur Terrasse und versucht den Anblick der Tischdecke, unter der die Leiche liegt, zu meiden. Hinter einigen afrikanischen Rosenstöcken findet er, wonach er sucht. Peter Motombwanes
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ist geschliffen scharf, und in den Griff sind verschiedene Symbole geschnitzt. Er erkennt den Kopf eines Leoparden und ein Auge, das tief in das braune Holz geritzt ist. Dann legt er das
panga
wieder zwischen die Rosen und schiebt mit dem Fuß etwas Laub darüber, so daß die Waffe nicht mehr zu sehen ist.
    Ein rostiges Polizeiauto nähert sich mit stotterndem Motor. An der Auffahrt zum Haus setzt der Motor aus, offensichtlich, weil der Tank leer ist. Was wäre passiert, wenn ich sie heute nacht alarmiert hätte, denkt er. Wenn ich sie gebeten hätte, zu meiner Rettung auszurücken? Hätten sie mich dann wissen lassen, daß sie leider kein Benzin mehr haben? Oder hätten sie mich vielleicht gebeten, sie mit dem Auto abzuholen?
    Auf einmal erkennt er den Beamten wieder, der mit vier Polizisten auf ihn zukommt. Es ist der Mann, der eines Tages mit einem falsch ausgestellten Durchsuchungsbefehl vor seinem Haus stand. Hans Olofson erinnert sich noch an seinen Namen: Kaulu.
    Hans Olofson zeigt ihm die Leiche und die Hunde und beschreibt, wie sich alles abgespielt hat. Außerdem sagt er aus, daß er Peter Motombwane kannte.
    Der Polizeibeamte schüttelt resigniert den Kopf. »Journalisten darf man, wie man sieht, niemals trauen«, sagt er.
    »Peter Motombwane war ein guter Journalist«, erwidert Hans Olofson.
    »Er hat sich zu sehr für Dinge interessiert, die ihn nichts angingen«, sagt der Polizeibeamte. »Jetzt wissen wir, daß er ein Bandit war.«
    »Das Leopardenfell«, sagt Hans Olofson. »Mir sind da Gerüchte über eine politische Bewegung zu Ohren gekommen.«
    »Wir wollen ins Haus gehen«, antwortet der Polizist schnell. »Es redet sich besser im Schatten.«
    Luka serviert Tee, und sie schweigen lange.
    »Solche unerfreulichen Gerüchte verbreiten sich leider nur allzu leicht«, bricht der Polizist das Schweigen. »Es gibt keine Bewegung der Leoparden. Der Präsident hat öffentlich erklärt, daß es sie nicht gibt. Also existiert sie auch nicht. Um so bedauerlicher wäre es, wenn nun neue Gerüchte aufkämen. Das läge nicht im Interesse unserer Behörden.«
    Was versucht er mir zu sagen, denkt Hans Olofson. Ist das nun eine Information oder eine Warnung? Oder sogar eine Drohung?
    »Ruth und Werner Masterton«, sagt Hans Olofson. »Wenn ich ihn und eventuell auch einen zweiten Mann nicht erschossen hätte, sähe es hier jetzt genauso aus wie in ihrem Haus.«
    »Ich kann da keinen Zusammenhang erkennen«, erwidert der Polizeibeamte.
    »Natürlich gibt es einen Zusammenhang«, widerspricht Hans Olofson.
    Der Polizist rührt bedächtig in seiner Tasse. »Ich bin einmal mit einem fehlerhaft ausgestellen Durchsuchungsbefehl bei Ihnen gewesen«, sagt er. »Sie waren damals sehr

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