Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Blutlache, und eine Blutspur führt in den dichten Busch, wo sie plötzlich endet.
    Als er sich umdreht, sieht er Luka unterhalb der Terrasse stehen, hebt das Gewehr und geht auf ihn zu.
    »Du bist also noch am Leben«, sagt er, »aber nicht mehr lange. Diesmal werde ich nicht vorbeischießen.«
    »Was ist passiert,
bwana
?« fragt Luka.
    »Das fragst du mich?«
    »Ja,
bwana

    »Wann hast du die Vergitterung entfernt?«
    »Welche Vergitterung,
bwana

    »Du weißt genau, welche ich meine.«
    »Nein,
bwana

    »Leg die Hände in den Nacken und geh vor!«
    Luka gehorcht seinem Befehl, und Hans Olofson führt ihn in die obere Etage. Dort zeigt er Luka das klaffende Loch an der Stelle, wo das Fenster herausgeschossen wurde.
    »Du hättest es fast geschafft«, sagt Hans Olofson, »aber nur fast. Du wußtest, daß ich dieses Zimmer nur ganz selten betrete. Du hast die Eisenstäbe herausgebrochen, als ich nicht zu Hause war. So hätte ich euer Eindringen nicht bemerkt. Anschließend wolltet ihr euch im Schutz der Dunkelheit die Treppe hinunterschleichen.«
    »Die Vergitterung ist fort,
bwana
. Jemand hat sie entfernt.«
    »Nicht jemand, Luka. Das warst du.«
    Luka sieht ihm in die Augen und schüttelt den Kopf.
    »Du bist heute nacht hier gewesen«, sagt Hans Olofson. »Ich habe dich gesehen und auf dich geschossen. Peter Motombwane ist tot. Aber wer war der dritte Mann?«
    »Ich habe geschlafen,
bwana
«, erwidert Luka. »Schüsse von einem
uta
haben mich geweckt. Viele Schüsse. Dann lag ich wach. Erst als ich sicher war, daß
bwana
Olofson das Haus verlassen hatte, kam ich her.«
    Hans Olofson hebt das Gewehr und entsichert es. »Ich werde dich erschießen«, sagt er. »Ich werde dich erschießen, wenn du mir nicht sagst, wer der dritte Mann war. Ich töte dich, wenn du mir nicht erzählst, was passiert ist.«
    »Ich habe geschlafen,
bwana
«, antwortet Luka. »Ich weiß nichts. Ich sehe, daß Peter Motombwane tot ist und ein Leopardenfell um die Schultern trägt. Ich weiß nicht, wer die Vergitterung entfernt hat.«
    Er sagt die Wahrheit, denkt Hans Olofson. Aber eigentlich bin ich mir sicher, ihn letzte Nacht gesehen zu haben. Außer ihm konnte niemand die Vergitterung entfernen, kein anderer weiß, daß ich dieses Zimmer nur so selten betrete.
    Trotzdem glaube ich, daß er die Wahrheit sagt.
    Sie kehren ins Erdgeschoß zurück. Die Hunde, denkt Hans Olofson plötzlich. Ich habe die Hunde vergessen. Unmittelbar hinter dem Wassertank findet er sie. Sechs Kadaver liegen auf der Erde. Aus ihren Mäulern hängen noch Fleischreste. Konzentriertes Gift, denkt er. Ein einziger Bissen, und es war aus. Peter Motombwane wußte genau, was er tat.
    Er beobachtet Luka, der ungläubig die toten Hunde anstarrt. Natürlich gibt es auch noch eine andere denkbare Erklärung, überlegt er. Peter Motombwane kannte mein Haus. Manchmal hat er hier allein auf mich gewartet, und die Hunde kannten ihn auch. Es kann durchaus stimmen, wenn Luka sagt, daß er geschlafen hat und erst wach wurde, als ich das Gewehr abfeuerte. Vielleicht habe ich mich in der Dunkelheit geirrt. Ich glaubte, Luka wäre dabei, und habe mir deshalb eingebildet, ich hätte ihn gesehen.
    »Rühr nichts an«, sagt er. »Warte vor dem Haus, bis ich wieder zurück bin.«
    »Ja,
bwana
«, antwortet Luka.
    Sie schieben den Wagen an, bis der Dieselmotor anspringt, und Hans Olofson fährt zu seiner Lehmhütte. Die schwarzen Arbeiter beobachten ihn mit ausdruckslosen Mienen. Wie viele von ihnen gehören zu den Leoparden, denkt er. Wie viele haben geglaubt, ich sei tot?
    Das Telefon in seinem Büro funktioniert noch. Er ruft die Polizei in Kitwe an.
    »Sagt allen, daß ich lebe«, weist er die schwarzen Kontoristen an. »Sagt allen, daß ich die Leoparden getötet habe. Einer von ihnen ist möglicherweise nur angeschossen worden. Sagt den Arbeitern, daß ich dem, der einen verletzten Leoparden findet, einen Jahreslohn zahle.«
    Anschließend kehrt er zum Haus zurück. Ein Fliegenschwarm kreist über der Tischdecke, unter der Peter Motombwane liegt.
    Während er auf die Polizei wartet, versucht er nachzudenken. Peter Motombwane ist gekommen, um mich umzubringen, denkt er, so wie er eines Nachts auch zu Ruth und Werner Masterton gekommen ist. Sein Fehler war, daß er meine Angst unterschätzt hat und glaubte, ich würde nachts schon wieder ruhig schlafen.
    Peter Motombwane wollte mich töten, das darf ich nie vergessen. Das ist der Ausgangspunkt. Er hätte mich geköpft, mich

Weitere Kostenlose Bücher