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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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beunruhigt ihn. Aber in fünf Jahren ist er mich ja los.«
    Als Sture ihn nach seinem Leben fragt, weiß Hans Olofson nicht, was er antworten soll.
    »Erinnerst du dich noch an den Pferdehändler?« fragt er. »Er ist letzten Sommer gestorben. An Knochenkrebs.«
    »Dem bin ich nie begegnet«, sagt Sture. »Kannte ich überhaupt jemanden außer dir und Janine?«
    »Das ist alles schon so lange her.«
    »In fünf Jahren«, sagt Sture, »falls ich bis dahin noch keine Lösung für mein letztes Problem gefunden haben sollte, hilfst du mir dann?«
    »Wenn ich kann.«
    »Wenn man einem Menschen etwas verspricht, der sich das Rückgrat gebrochen hat, muß man sein Versprechen halten. Sonst werde ich in deinem Gehirn herumspuken, bis du selber ins Gras beißt.«
    Am späten Nachmittag verabschieden sie sich voneinander.
    Herr Abramovitj öffnet die Tür sachte einen Spaltbreit und bietet Hans Olofson an, ihn in die Stadt mitzunehmen.
    »Schau einmal im Jahr vorbei«, sagt Sture. »Nicht öfter. Ich habe keine Zeit.«
    »Ich könnte dir schreiben«, meint Hans Olofson.
    »Nein, keine Briefe. Briefe regen mich nur auf. Briefe bedeuten mehr Beweglichkeit, als ich ertragen könnte. Geh jetzt …«
    Hans Olofson reist in dem Gefühl ab, König im Reich der Unwürdigen zu sein. In Sture hat er sich selbst wie in einem Spiegel gesehen, und diesem Bild kann er nicht entfliehen.
    Am späten Abend trifft er in Uppsala ein. In dem undurchdringlichen Dschungel aus Zeit, in dem er lebt, ticken die Uhren.
    Mutshatsha, denkt er. Was fehlt noch außer dir.
    Wolkenverhangen ist der schwedische Himmel an jenem frühen Morgen im September 1969, an dem er seine bisherigen Horizonte zurückläßt und in die Welt hinausfliegt. Er hat seine Ersparnisse geplündert und das Flugticket gekauft, das ihn in die oberen Luftschichten befördern wird, auf seine zweifelhafte Wallfahrt zu jenem Mutshatsha, von dem Janine immer geträumt hat.
    Ein unverrückbarer Himmel, eine endlose Wolkenwand über seinem Kopf, als er zum erstenmal in seinem Leben ein Flugzeug besteigt. Als er über das Flugfeld geht, dringt Nässe in seine Schuhe. Er dreht sich um, als gäbe es doch jemand, der ihm zum Abschied nachwinkt.
    Er betrachtet seine Mitreisenden. Keiner von ihnen ist auf dem Weg nach Mutshatsha, denkt er. Das ist im Moment das einzige, was einigermaßen sicher ist.
    Mit einer leichten Verbeugung macht Hans Olofson den Schritt in die Lüfte.
    Siebenundzwanzig Stunden später, pünktlich auf die Minute, landet er in Lusaka. Afrika empfängt ihn mit brütender Hitze. Niemand ist da, um ihn abzuholen.

E IN NACHTWÄCHTER kommt ihm mit einem Schlagstock entgegen, und Hans Olofson sieht, daß der Mann große Angst hat. Zwei riesige Schäferhunde laufen auf dem schwach beleuchteten Hof unruhig hin und her.
    Auf einmal hat er es gründlich satt, ständig von nervösen Wachhunden und hohen Mauern umgeben zu sein, auf deren Kronen Glasscherben in den Zement eingegossen wurden. Ich fahre von einem weißen Bunker zum nächsten, denkt er. Überall diese Angst …
    Er klopft an die Tür der Bedienstetenwohnung, und Peggy läßt ihn herein. Hinter ihr steht Marjorie, und sie lachen und freuen sich darüber, daß er sie besucht. Trotzdem spürt er, daß etwas nicht so ist, wie es sein sollte. Er setzt sich auf einen Stuhl und lauscht ihren Stimmen in der kleinen Küche, wo sie Tee für ihn kochen.
    Ich vergesse, daß ich sogar für sie ein
mzungu
bin, denkt er. Nur bei Peter Motombwane ist es mir gelungen, ganz ungezwungen zu sein. Er trinkt seinen Tee und fragt, wie sie in Lusaka zurechtkommen.
    »Es ist alles in Ordnung«, antwortet Marjorie. »
Bwana
Lars kümmert sich um uns.«
    Er erzählt ihnen nichts von dem nächtlichen Überfall und fragt sie statt dessen, ob sie Heimweh haben. Als sie verneinen, merkt er erneut, daß etwas nicht in Ordnung ist. Hinter der üblichen Freude spürt er eine Verunsicherung. Etwas bedrückt sie: Er beschließt zu bleiben, bis Lars Håkansson zurückgekehrt ist.
    »Ich bleibe morgen noch den ganzen Tag«, sagt er. »Wir könnten in die Cairo Road fahren und einen Einkaufsbummel machen.«
    Als er geht, hört er, daß sie hinter ihm abschließen. In einem afrikanischen Dorf gibt es keine Schlösser, denkt er. In den Bunkern der Weißen ist es das erste, was wir ihnen beibringen. Eine abgeschlossene Tür wiegt einen in trügerischer Sicherheit.
    Der Nachtwächter kommt ihm mit dem Schlagstock in der Hand entgegen.
    »Wo ist
bwana
Lars?« fragt

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