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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Olofson mit dem bitteren Gefühl nach Hause gefahren, daß er niemals einen Abschluß machen wird. Er hatte lange genug im Haus der Uhren gelebt und sich durch Vorlesungen und Lernstoff gequält, um zu begreifen, daß er nirgendwo hineinpaßte. Sein Ehrgeiz, Verteidiger der mildernden Umstände zu werden, hatte sich in Luft aufgelöst. Das Ticken der Uhren um ihn herum kam ihm immer unwirklicher vor, bis ihm schließlich klarwurde, daß die Universität ein Vorwand für die Nachmittage war, die er in Wickbergs Waffenhandlung verbrachte, und nicht umgekehrt.
    Den Sommer hatten die Brüder Holmström gerettet, die immer noch keine Zukünftigen gefunden hatten und in ihrem alten Saab weiter durch die hellen Sommerwälder brausten. Hans Olofson hatte sich auf den Rücksitz gezwängt, von ihrem Schnaps getrunken und Wälder und Waldseen an sich vorbeiziehen lassen. Auf einem abgelegenen Tanzboden begegnete er einem Mädchen, in das er sich Hals über Kopf unsterblich verliebte. Sie hieß Agnes, nannte sich Agge, und war Lehrling im Friseursalon »Die Welle«, der zwischen der Buchhandlung und Karl-Ottos Laden für gebrauchte Motorräder und Mopeds lag. Eines Tages erfuhr er, daß ihr Vater einer der Arbeiter war, mit denen er im Lager des Einzelhandelsverbands zusammengearbeitet hatte und für den er Kautabak gekauft und die Kaffeetasse gespült hatte. Zusammen mit ihrer älteren Schwester wohnte sie in einer kleinen Wohnung über der Handelsbank, und weil die Schwester mit einem Mann im Wohnwagen Richtung Küste verschwunden war, hatten sie die Wohnung für sich allein. Dorthin kamen die Brüder Holmström in einer Staubwolke mit ihrem Saab, dort wurden die Pläne für den Abend geschmiedet, dorthin kehrten sie später wieder zurück.
    Er beschloß zu bleiben, sich eine Arbeit zu suchen, einen Schlußstrich zu ziehen und später, im Herbst, nicht an die Universität zurückzukehren.
    Aber auch diese Liebe war nur Einbildung, ein neues Versteck, und um ihr schließlich zu entfliehen, fuhr er trotz allem zurück. In ihren Augen spiegelte sich sein Verrat.
    Doch vielleicht ging er auch fort, weil er es nicht länger ertrug, mit ansehen zu müssen, daß Erik Olofson immer öfter mit seinen Dämonen kämpfte, denen nicht einmal mit Putzwasser beizukommen war. Mittlerweile trank er ständig, und sein Trinken war ein bewußter Kniefall vor seiner Unfähigkeit, wieder zur See zu fahren.
    In diesem Sommer wurde Erik Olofson schließlich doch noch ein richtiger Holzfäller. Jetzt war er nicht mehr der Seemann, der sich, umgeben von Rinde und Unterholz, abmühte, um Horizonte zu öffnen und einen Kurs anzupeilen.
    Eines Tages fiel Céléstine herunter. Als wäre sie in einem mächtigen Orkan untergegangen, fand sie Hans Olofson, während der Vater seinen Rausch auf dem Sofa ausschlief. In seiner Erinnerung ist dieser Moment mit zorniger Hilflosigkeit verbunden, zwei gegensätzlichen Kräften, die sich ineinander verhakten.
    Kurz darauf kehrt er nach Uppsala zurück, sitzt nun in einer Stockholmer Kneipe, und Hans Fredström verschüttet Bier auf seine Hand.
    Hans Fredström kann man nur beneiden, denn er fühlt sich auserkoren, Staatsanwalt zu werden. »Dieses Gesindel muß man an den Ohren packen und verurteilen«, sagt er. »Als Staatsanwalt sorgt man für Sauberkeit, man reinigt die Gesellschaft.«
    Hans Olofson hat ihm einmal seinen Plan anvertraut, sich zum Fürsprecher der Schwachen zu machen, woraufhin er bei Hans Fredström augenblicklich in Ungnade gefallen ist. Von seinem Ausgangspunkt im wohlhabenden, vornehmen Danderyd aus mobilisiert er eine Feindseligkeit, der Hans Olofson nichts entgegenzusetzen hat. Fredströms Worte sind so gehässig und voller Vorurteile, daß sie ihm einfach zuwider sind. Ihre Diskussionen enden stets kurz vor einer Prügelei. Hans Olofson versucht ihm möglichst aus dem Weg zu gehen, denn wenn er sich auf ein Wortgefecht mit ihm einläßt, zieht er grundsätzlich den kürzeren. Als Hans Fredström Bier auf seine Hand verschüttet, zieht er sie deshalb nur weg.
    Ihm werde ich gegenüberstehen. Gemeinsam mit ihm soll ich Recht und Gesetz in der Zeitspanne verteidigen, die für meine Generation abgesteckt ist.
    Der Gedanke erscheint ihm plötzlich absurd. Er müßte eigentlich in der Lage sein, sich zu überwinden, ihm gegenüberzutreten, denn sonst wird Hans Fredström wie ein Raubtier ungehindert in den Gerichtssälen wüten können und mit Elefantenfüßen die mildernden Umstände zerstampfen,

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