Das Auge des Leoparden
Menschen, die ich getötet habe, und Afrika, das an mir nagt, machen ein Bleiben unmöglich. Vielleicht fliehe ich, vielleicht ist es auch nur ein ganz normaler Aufbruch. Ich muß meine Abreise so schnell wie möglich planen, gleich morgen. Muß mir die nötige Zeit nehmen, aber auch nicht mehr.
Im Bett denkt er, daß er es keine Sekunde bereut hat, Lars Håkansson überfahren zu haben. Sein Tod berührt ihn kaum. Peter Motombwanes zerschossener Kopf dagegen schmerzt ihn. Im Traum hat er das Gefühl, vom wachsamen Auge eines Leoparden beobachtet zu werden.
Hans Olofson bleibt noch ein halbes Jahr in Afrika. Er bietet seine Farm der weißen Kolonie an, muß jedoch erstaunt feststellen, daß niemand an einem Kauf interessiert ist. Als er über den Grund nachdenkt, wird ihm klar, daß sie zu abgeschieden liegt. Die Farm wirft zwar Gewinn ab, doch niemand wagt es, sie zu übernehmen. Nach vier Monaten hat er nur zwei Kaufinteressenten und erkennt, daß der Erlös aus dem Verkauf gering ausfallen wird.
Die beiden Kaufinteressenten sind Patel und Mister Pihri und sein Sohn. Sobald es offiziell ist, daß er die Farm verlassen wird, besuchen sie ihn beide, und nur durch Zufall treffen sie nicht gleichzeitig auf seiner Terrasse ein. Mister Pihri und sein Sohn bedauern seine Abreise. Kein Wunder, denkt Hans Olofson. Mit mir verschwindet ihre beste Einnahmequelle. Keine Gebrauchtwagen, keine Nähmaschinen, keine Eierkartons auf den Rücksitzen.
Als sich Mister Pihri nach dem Preis für die Farm erkundigt, glaubt Hans Olofson zunächst, er wäre nur neugierig. Erst nachher wird ihm klar, daß Mister Pihri kaufen möchte. Hat er im Laufe der Jahre so viel an mir verdient? Sind die Bestechungsgelder so hoch gewesen, daß er es sich jetzt leisten kann, meine Farm zu kaufen?
Wenn es so ist, dann spiegelt sich dieses Land und vielleicht ganz Afrika in dieser Tatsache.
»Ich möchte Ihnen eine Frage stellen«, sagt Hans Olofson. »Eine Frage in aller Freundschaft.«
»Unsere Gespräche sind immer freundschaftlich«, erwidert Mister Pihri.
»Diese vielen Dokumente«, fährt Hans Olofson fort, »die Dokumente, die dauernd abgestempelt werden mußten, weil ich sonst Schwierigkeiten bekommen hätte. Waren sie wirklich erforderlich?«
Mister Pihri denkt lange nach, ehe er antwortet. »Ich verstehe ihre Frage nicht ganz«, sagt er schließlich.
Das wäre dann aber das erste Mal, denkt Hans Olofson.
»In aller Freundschaft«, setzt er noch einmal an. »Ich frage mich einfach, ob Sie und Ihr Sohn mir wirklich so große Dienste erwiesen haben, wie ich immer geglaubt habe.«
Mister Pihri macht ein bekümmertes Gesicht, sein Sohn senkt den Blick. »Wir konnten Schwierigkeiten immer aus dem Weg gehen«, antwortet Mister Pihri. »In Afrika sind wir stets darauf bedacht, uns gegenseitig von Nutzen zu sein.«
Ich werde nie erfahren, wie sehr er mich betrogen hat, denkt Hans Olofson, wieviel von meinem Geld er wiederum an andere korrupte Beamte zahlen mußte. Ich werde mit diesem Rätsel leben müssen. Noch am gleichen Tag kommt Patel in seiner Rostlaube zur Farm.
»Eine Farm wie diese läßt sich natürlich problemlos verkaufen«, sagt er freundlich.
Hinter seiner Demut verbirgt sich ein Raubtier, denkt Hans Olofson. In dieser Sekunde rechnet er Prozente und bereitet seine mahnenden Worte darüber vor, wie gefährlich es doch ist, illegale Überweisungen von Devisen vorzunehmen, die sich der Kontrolle der sambischen Nationalbank entziehen. Menschen wie Mister Pihri und Patel bilden eines der traurigsten Paare auf diesem Kontinent. Ohne sie geht hier gar nichts. Der Preis der Korruption ist die Ohnmacht der normalen armen Bevölkerung.
Hans Olofson nennt seine Probleme beim Verkauf und den Preis, den er sich vorgestellt hat. »Der Preis ist natürlich skandalös niedrig«, sagt er.
»Die Zeiten sind unsicher«, antwortet Patel.
Zwei Tage später trifft ein Brief ein, in dem Patel ihm mitteilt, daß er am Kauf der Farm interessiert sei, der Preis ihm angesichts der schwierigen Zeiten jedoch etwas hoch erscheine. Jetzt habe ich also zwei potentielle Käufer, denkt Hans Olofson. Beide sind bereit, mir die Farm mit meinem eigenen Geld abzukaufen.
Er schreibt einen Brief an die Bank in London und teilt ihr mit, daß er die Farm nun verkaufen werde. Dem Vertrag zufolge, den er bei Judith Fillingtons Rechtsanwalt in Kitwe unterschrieben hatte, steht ihm nun, zwanzig Jahre nach der Übernahme, die gesamte Summe aus dem Verkauf zu. Die
Weitere Kostenlose Bücher