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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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in eine eigenartige Welt, in der die Sonne manchmal auch nachts scheint.«
    Eisenhower Mudenda denkt lange darüber nach, was Hans Olofson gesagt hat. »Tragen Sie den Stein und den Beutel immer in der Tasche,
bwana
«, sagt er schließlich.
    »Warum?« fragt Hans Olofson.
    »Weil ich Sie darum bitte,
bwana
«, antwortet Eisenhower Mudenda. »Stein und Beutel werden Ihnen ein langes Leben bescheren, und wir werden von unseren Ahnen erfahren, wenn Sie nicht mehr sind. Wir werden dann für Sie tanzen, wenn Sie zu Ihren Ahnen zurückkehren.«
    »Ich werde Stein und Beutel bei mir tragen«, sagt Hans Olofson.
    Eisenhower Mudenda macht sich zum Aufbruch bereit.
    »Mein Hund«, sagt Hans Olofson. »Eines Morgens hatte jemand ihm den Kopf abgeschlagen und mit Stacheldraht an einen Baum gebunden.«
    »Der das getan hat, lebt nicht mehr,
bwana
«, sagt Eisenhower Mudenda.
    »Peter Motombwane?« fragt Hans Olofson.
    Eisenhower Mudenda sieht ihn lange an, ehe er antwortet. »Peter Motombwane lebt,
bwana

    »Ich verstehe«, antwortet Hans Olofson.
    Eisenhower Mudenda geht, und Hans Olofson betrachtet seine abgerissenen Kleider. Wenigstens begleitet er meinen Abschied von Afrika nicht mit Verwünschungen, denkt er. Ich gehörte nicht zu den Schlimmsten. Außerdem tue ich, was sie sich wünschen, ich verschwinde und gestehe meine Niederlage ein … Er ist allein in seinem leeren Haus, allein mit Luka. Es ist vorbei. Er gibt Luka tausend
kwacha
.
    »Warte nicht, bis ich fort bin«, sagt Hans Olofson. »Geh jetzt. Aber wohin wirst du gehen?«
    »Ich stamme aus Malawi,
bwana
«, antwortet Luka. »Jenseits der Berge am großen See. Es ist ein weiter Weg dorthin. Aber noch bin ich stark genug, um die Reise zu machen. Meine Füße sind bereit.«
    »Geh morgen. Steh nicht vor meiner Tür.«
    »Ja,
bwana
. Ich werde gehen.«
    Am nächsten Tag ist er fort. Mir war nie klar, was in ihm vorging, denkt Hans Olofson. Ich werde nie erfahren, ob ich ihn in jener Nacht gesehen habe, in der ich Peter Motombwane tötete …
    Am letzten Abend bleibt er lange auf der Terrasse sitzen. Insekten umschwirren zum Abschied sein Gesicht. Die Schäferhunde sind fort, seine Nachbarn haben sie abgeholt. Er lauscht in die Dunkelheit hinein, spürt den warmen Wind auf seinem Gesicht. Wieder ist die Regenzeit gekommen, wieder trommeln die Wolkenbrüche auf sein Dach herab. Doch an diesem letzten Abend ist der Himmel klar.
    Jetzt, Hans Olofson, denkt er. Jetzt reist du ab und kehrst nie mehr zurück. Ein blaugeäderter Stein, ein brauner Lederbeutel und ein paar Krokodilzähne sind alles, was du mitnimmst …
    Er versucht sich Gedanken darüber zu machen, was er tun könnte, vermag sich jedoch nur vorzustellen, daß er nach seiner Mutter sucht. Wenn ich sie finde, kann ich ihr von Afrika erzählen, denkt er. Von diesem verwundeten und zerrissenen Kontinent. Vom Aberglauben und der unendlichen Weisheit. Von Not und Qual, die von uns geschaffen wurden, den weißen Männern und Frauen. Aber ich werde ihr auch von der Zukuft erzählen, die es hier genauso gibt und die ich mit eigenen Augen gesehen habe. Joyce Lufuma und ihre Töchter, der würdevolle Widerstand, der noch in den geknechtetsten Teilen der Welt überlebt. Eines habe ich in all den Jahren trotz allem verstanden: Afrika wurde auf einem abendländischen Altar geopfert und für ein oder zwei Generationen seiner Zukunft beraubt. Doch das ist jetzt vorbei, auch das habe ich verstanden.
    In der Dunkelheit ruft eine Eule. Mächtige Schwingen flattern vorbei. Die Zikaden zirpen unsichtbar zu seinen Füßen. Als er schließlich aufsteht und ins Haus geht, läßt er die Tür hinter sich offen.
    Er erwacht im Morgengrauen. Es ist der zweite Februar 1988, und er ist dabei, Afrika zu verlassen. Seine Abreise hat sich um fast neunzehn Jahre verschoben.
    Vom Schlafzimmerfenster aus sieht er die rote Sonne am Horizont aufgehen. Nebelschwaden ziehen träge über den Kafue hinweg. Er kehrt von einem Fluß zu einem anderen zurück, vom Kafue und dem Sambesi zum Ljusnan. Das grunzende Flußpferd wird ihn begleiten und er denkt, daß in seinen Träumen Krokodile den nordschwedischen Fluß bevölkern werden.
    Zwei Flußläufe teilen mein Leben ein, denkt er. Ein nordschwedisches Afrika trage ich in meinem Herzen.
    Ein letztes Mal geht er durch das stille Haus und denkt: Ich breche immer mit leeren Händen auf. Ist das nicht sogar ein Vorteil?
    Etwas, was es mir leichter macht?
    Er öffnet die Tür zum Fluß und glaubt, den

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