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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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der hinteren Türen öffnen läßt. Um auf den Fahrersitz zu gelangen, muß er über die Sitze klettern.
    »Warum läßt du die Türen nicht reparieren?« sagt Hans Olofson.
    »Es gibt Wichtigeres.«
    »Muß das eine unbedingt das andere ausschließen?«
    »Manchmal schon.«
    Nach Peter Motombwanes Besuchen ist er immer rastlos. Ohne sagen zu können, was es ist, hat er dann stets das Gefühl, an etwas Wichtiges erinnert worden zu sein, etwas, das er immer wieder vergißt.
    Doch es kommen auch andere Besucher. Er lernt einen indischen Kaufmann aus Kitwe kennen, sein Name ist Patel.
    Von Zeit zu Zeit, scheinbar ohne jede innere Logik, gehen im Land Artikel des täglichen Bedarfs aus. Mal gibt es kein Salz, dann wiederum können keine Zeitungen gedruckt werden, weil es an Papier fehlt. Er ruft sich ins Gedächtnis, was er dachte, als er nach Afrika kam. Auf dem schwarzen Kontinent geht alles zur Neige.
    Aber Patel kann alles beschaffen, was fehlt. Aus verborgenen Lagern zaubert er alles hervor, was die weiße Kolonie benötigt. Auf unbekannten Pfaden werden die fehlenden Waren ins Land geschafft, und die weiße Kolonie kann ihren Bedarf zu einem angemessen überhöhten Preis decken. Um den Zorn der Schwarzen nicht auf sich zu ziehen und eventuell Zeuge zu werden, wie seine Geschäfte niedergebrannt und geplündert werden, besucht Patel die einzelnen Farmen, um sich persönlich zu erkundigen, ob etwas fehlt.
    Er kommt nie allein. Immer hat er einen Cousin im Schlepptau oder einen Freund aus Lusaka oder Chipata, der gerade zu Besuch ist. Sie alle heißen Patel. Wenn ich den Namen rufen würde, kämen tausend Inder angerannt, denkt Hans Olofson. Und alle würden mich fragen, ob ich zufällig gerade etwas benötige.
    Ich kann ihre Vorsicht und Angst gut verstehen. Sie sind verhaßter als die Weißen, weil der Unterschied zwischen ihnen und den Afrikanern so deutlich ins Auge springt. In ihren Geschäften gibt es all das, was sich die Schwarzen nur in Ausnahmefällen leisten können. Alle wissen, daß sie geheime Lager haben und große Vermögen außer Landes schaffen und auf Bankkonten in Bombay oder London anlegen.
    Ihre Angst ist so verständlich wie der Haß der Schwarzen.
    Jedenfalls steht eines Tages Patel vor seiner Tür. Er trägt einen Turban und riecht nach süßem Kaffee. Zunächst weigert sich Hans Olofson, das zweifelhafte Privileg anzunehmen, das Patel ihm anbietet, weil er der Meinung ist, daß Mister Pihri ihm schon reicht.
    Aber ein Jahr später wird sein Widerstand gebrochen, nachdem er längere Zeit ohne Kaffee auskommen mußte. Er beschließt, eine Ausnahme zu machen, und am nächsten Tag kehrt Patel mit zehn Kilo brasilianischem Kaffee zu seiner Farm zurück.
    »Woher haben Sie den?« fragt Hans Olofson, aber Patel breitet nur die Arme aus und macht ein trauriges Gesicht.
    »In diesem Land fehlt es an so vielem«, sagt er. »Ich versuche nur, den schlimmsten Engpässen abzuhelfen.«
    »Aber wie?«
    »Manchmal weiß ich selber nicht, wie ich es anstelle, Mister Olofson.«
    Völlig unerwartet führt die Regierung strenge Devisenbeschränkungen ein, und als der
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dramatisch an Wert verliert, weil die Kupferpreise sinken, muß Hans Olofson erkennen, daß er seinen vertraglichen Verpflichtungen Judith Fillington gegenüber bald nicht mehr nachkommen kann.
    Erneut tritt Patel als Retter in der Not in Erscheinung. »Es gibt immer einen Ausweg«, sagt er. »Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein. Ich verlange ganze zwanzig Prozent für das Risiko, das ich auf mich nehme.«
    Hans Olofson wird nie erfahren, wie Patel es anstellt, aber jeden Monat gibt er dem Inder Geld, und die Bank in London teilt ihm regelmäßig mit, daß das Geld überwiesen wurde.
    Ungefähr zur gleichen Zeit eröffnet Hans Olofson auch ein eigenes Konto bei der gleichen Bank in London, und Patel schafft jeden Monat zweitausend schwedische Kronen für ihn außer Landes.
    Er spürt eine zunehmende Unruhe im Land, die sich auch daran ablesen läßt, daß Mister Pihri und sein Sohn immer öfter vorbeischauen.
    »Was geht eigentlich vor?« fragt Hans Olofson. »Indische Geschäfte werden niedergebrannt oder geplündert. Es heißt, es könne zu Unruhen kommen, weil man keinen Mais mehr kaufen kann und die schwarze Bevölkerung nichts zu essen hat. Aber wie ist es denn möglich, daß plötzlich der Mais ausgeht?«
    »Leider gibt es viele, die Mais in unsere Nachbarländer schmuggeln«, antwortet Mister Pihri. »Die Preise sind dort

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