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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Sture regungslos im Bett und betrachtet lächelnd das Geschehen.
    Daß die Leidenschaft ein treuloser Geselle ist, ahnen beide nicht, als sie sich auf dem Küchenfußboden umschlingen. Dieser Moment ist allein ihrer großen Erleichterung vorbehalten. Hinterher trinken sie Kaffee. Hans Olofson sieht sie verstohlen an und wünschte, sie würde etwas sagen.
    Lächelt sie? Was denkt sie? Die Zeiger der Wanduhr drehen ihre stummen Runden.
    Ein Augenblick, der einem nicht aus den Händen gleiten darf, denkt er. Vielleicht besteht das Leben trotz allem nicht nur aus Qualen und Mühen. Vielleicht gibt es doch noch etwas anderes.
    Ein Augenblick, der einem nicht aus den Händen gleiten darf.

A UF EINER SCHWARZWEISSFOTOGRAFIE steht er neben Peter Motombwane.
    Eine weiße Hauswand bildet den Hintergrund. Die Aufnahme ist bei prallem Sonnenlicht entstanden. Eine Eidechse klebt neben Peter Motombwanes Kopf an der Wand. Sie wird zu einem Teil ihrer gemeinsamen Personenbeschreibung.
    Auf dem Foto lachen sie gemeinsam Luka an, der Peter Motombwanes Kamera bedient. Aber warum wollte er dieses Bild? Warum schlug Peter Motombwane vor, diese Aufnahme zu machen? Er kann sich nicht mehr erinnern …
    Eines Tages lädt Hans Olofson seine Vorarbeiter zum Essen ein. Stumm sitzen sie an seinem Tisch und schlingen das Essen hinunter, als hätten sie ewig nichts mehr gegessen, und werden schnell betrunken. Hans Olofson stellt Fragen und erhält einsilbige Antworten.
    Nachher verlangt er von Luka eine Erklärung. Warum dieser Widerwille? Dieses sture Schweigen?
    »Sie sind ein
mzungu, bwana
«, sagt Luka.
    »Das ist keine Antwort«, entgegnet Hans Olofson.
    »Das ist eine Antwort,
bwana
«, sagt Luka.
    Einer der Arbeiter, die den Futterbestand sauberhalten und Mäuse jagen, fällt eines Tages so unglücklich von den aufgestapelten Futtersäcken, daß er sich das Genick bricht. Der Tote hinterläßt eine Frau und vier Töchter in einer erbärmlichen Lehmhütte, die noch Judith Fillington errichten ließ. Die Frau heißt Joyce Lufuma, und Hans Olofsons Wege führen ihn von nun an oft zu ihrem Haus. Er schenkt ihr einen Sack Mais, ein
chitenge
oder etwas anderes, an dem es gerade fehlt.
    Wenn er sehr müde ist, setzt er sich manchmal vor ihr Haus und schaut den vier Töchtern beim Spielen zu. Vielleicht ist es meine bleibende Leistung, denkt er, jenseits aller großspurigen Pläne diesen fünf weiblichen Wesen zu helfen.
    Aber meistens überwindet er seine Müdigkeit, und eines Tages versammelt er die Vorarbeiter und teilt ihnen mit, daß er ihnen Zement, Ziegelsteine und Wellblech stellen wird, damit sie ihre Häuser reparieren oder vielleicht sogar neue bauen können. Als Gegenleistung verlangt er von ihnen, daß sie Müllhalden und abgedeckte Toilettengruben anlegen.
    Für kurze Zeit glaubt er eine Verbesserung zu erkennen. Dann ist wieder alles beim alten. Der Unrat wirbelt über die rote Erde. Die alten Wellblechdächer tauchen plötzlich wieder auf. Aber wo sind die neuen geblieben, die er angeschafft hat? Er fragt nach, bekommt aber keine Antwort.
    Er spricht mit Peter Motombwane darüber und versucht zu verstehen. Sie sitzen abends auf Hans Olofsons Terrasse, und er denkt, daß er in Peter Motombwane seinen ersten schwarzen Freund gefunden hat. Vier Jahre hat er dafür gebraucht. Warum Peter Motombwane ihn damals auf der Farm besuchte, weiß er nicht. Er stand einfach in der Tür und sagte, er sei Journalist und wolle über die große Hühnerfarm schreiben. Aber eine Reportage zu diesem Thema hat Hans Olofson in der
Times of Zambia
niemals gelesen.
    Peter Motombwane kommt wieder. Niemals bittet er Hans Olofson um etwas, nicht einmal um ein paar Eier.
    Hans Olofson erzählt ihm von seinem großen Plan. Peter Motombwane hört zu, die ernsten Augen auf einen Punkt über Hans Olofsons Kopf gerichtet.
    »Welche Reaktionen erwartest du?« fragt Peter Motombwane, als er fertig ist.
    »Das weiß ich nicht«, erwidert er. »Aber was ich tue, kann doch nicht falsch sein.«
    »Man wird bestimmt nicht so reagieren, wie du es erhoffst«, sagt Peter Motombwane. »Du bist in Afrika, und die Weißen haben Afrika noch nie verstanden. Du wirst enttäuscht werden.«
    Ihre Gespräche werden nie beendet, weil Peter Motombwane immer ganz plötzlich aufbricht. Im einen Augenblick sitzt er noch tief in einem der weichen Sessel auf der Terrasse, im nächsten ist er schon aufgestanden, um sich zu verabschieden. Er besitzt ein altes Auto, bei dem sich nur noch eine

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