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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Sonnenuntergang der Farm. Hans Olofson empfängt sie mit gespieltem Erstaunen. Ein Polizist mit einer Reihe von Sternen auf den Schulterklappen betritt die Terrasse, auf der Hans Olofson ihn erwartet. Er sieht, daß der Polizeibeamte noch sehr jung ist.
    »Mister Fillington«, sagt der Polizist.
    »Nein«, antwortet Hans Olofson.
    Als sich herausstellt, daß der Durchsuchungsbefehl auf den Namen Fillington ausgestellt ist, herrscht große Konfusion. Anfangs weigert sich der junge Polizeibeamte, Hans Olofsons Worten Glauben zu schenken, und besteht in aggressivem Ton darauf, Hans Olofson heiße Fillington. Daraufhin zeigt Hans Olofson ihm den Kaufvertrag und die Eintragung ins Grundbuch, und der Polizeibeamte muß einsehen, daß der Durchsuchungsbefehl, den er in der Hand hält, auf die falsche Person ausgestellt ist.
    »Aber ich habe nichts dagegen, wenn Sie trotzdem eine Hausdurchsuchung durchführen«, beteuert Hans Olofson schnell. »Ein solcher Fehler kann doch mal vorkommen. Ich will Ihnen keine Steine in den Weg legen.«
    Der Polizeibeamte wirkt erleichtert, und Hans Olofson denkt, daß er einen neuen Freund gewonnen hat, der ihm in Zukunft vielleicht noch einmal nützlich sein kann.
    »Mein Name ist Kaulu«, sagt der Polizist.
    »Bitte, treten Sie doch ein«, fordert Hans Olofson ihn auf.
    Eine knappe halbe Stunde später verläßt der Polizeibeamte das Haus wieder – an der Spitze seiner Männer.
    »Darf man fragen, wonach Sie eigentlich suchen?« fragt Hans Olofson.
    »Es kommt laufend zu staatsfeindlichen Aktivitäten«, antwortet der Polizist ernst. »Der Kurs des
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wird von illegalen Devisengeschäften geschwächt.«
    »Ich habe Verständnis dafür, daß Sie durchgreifen müssen«, sagt Hans Olofson.
    »Ich werde Ihr Entgegenkommen bei meinen Vorgesetzten hervorheben«, entgegnet der Polizeibeamte und grüßt militärisch.
    »Tun Sie das«, sagt Hans Olofson. »Und schauen Sie ruhig wieder vorbei.«
    »Ich bin ganz verrückt nach Eiern«, ruft der Polizeibeamte, und Hans Olofson sieht die klapprigen Wagen in einer Staubwolke verschwinden.
    Auf einmal begreift er etwas über Afrika, über das junge Afrika und die Misere der unabhängigen Staaten.
    Eigentlich müßte ich über diese hilflose Hausdurchsuchung lachen, denkt er. Über den jungen Polizeibeamten, der bestimmt nichts kapiert hat. Aber das wäre ein Fehler, denn diese Hilflosigkeit ist gefährlich. In diesem Land kann man gehängt werden, junge Polizisten foltern und töten Menschen mit Peitschen und Knüppeln. Über diese Hilflosigkeit zu lachen hieße, sich in Lebensgefahr zu begeben.
    Der Zeitbogen wölbt sich, und Hans Olofsons Leben in Afrika geht weiter.
    Nach neun Jahren in Kalulushi erreicht ihn ein Brief mit der Nachricht, daß sein Vater bei einem Feuer umgekommen ist. In einer kalten Nacht im Januar 1978 ist das Haus am Fluß abgebrannt.
    »Die Brandursache konnte nicht ermittelt werden. Man hat versucht, wegen der Beerdigung Kontakt zu Ihnen aufzunehmen, konnte Ihren Aufenthaltsort jedoch erst jetzt ermitteln. Bei dem Feuer kam auch eine alte Witwe namens Westlund um. Vermutlich ist das Feuer in ihrer Wohnung ausgebrochen, aber mit völliger Klarheit wird sich das wohl nie sagen lassen. Es konnte nichts gerettet werden, das Haus brannte bis zu den Grundmauern nieder. Es steht mir nicht zu, darüber zu entscheiden, wie mit dem Nachlaß Ihres Vaters verfahren werden soll …«
    Der Brief ist mit einem Namen unterzeichnet, der ihn vage an einen der Vorarbeiter seines Vaters erinnert.
    Nur allmählich läßt er die Trauer an sich herankommen.
    Er sieht sich in der Küche, dem Vater gegenüber am Küchentisch. Der schwere Geruch nasser Wolle. Céléstine steht in ihrer Vitrine, ist aber jetzt ein rauchender schwarzer Trümmerhaufen. Die verkohlte Seekarte von der Einfahrt in den Malakkasund ist auch zu erkennen.
    Die Gestalt seines Vaters erahnt er unter einem Laken auf einer Bahre.
    Jetzt bin ich allein, denkt er. Falls ich nicht zurückkehre, wird meine Mutter, ebenso wie das Feuer, für immer ein Rätsel bleiben.
    Er fühlt sich schuldig am Tod seines Vaters, denn er hat das Gefühl, ihn verraten und im Stich gelassen zu haben.
    Jetzt bin ich allein, denkt er wieder. Diese Einsamkeit wird auf meinen Schultern lasten, solange ich lebe.
    Ohne zu wissen warum, setzt er sich in sein Auto und fährt zu Joyce Lufumas Lehmhütte. Sie zerstößt Mais und lacht und winkt, als sie ihn kommen sieht.
    »Mein Vater ist gestorben«, sagt

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