Das Auge des Leoparden
Betrunkene Menschen liegen in allen Zimmern, ein ungleiches Paar hat Hans Olofsons Bett in Besitz genommen, und im Garten veranstaltet einer der Gäste mit einem Revolver ein Zielschießen auf Flaschen, die ein verängstigter schwarzer Diener auf einen Gartentisch stellen muß.
Hans Olofson ist plötzlich erregt und beginnt mit einer Frau zu flirten. Sie stammt von einer der Farmen, die am weitesten von seiner eigenen entfernt liegen. Die Frau ist korpulent und aufgedunsen, ihr Rock ist über ihre Knie hochgerutscht und Hans Olofson ist nicht entgangen, daß ihr Mann schlafend unter einem Tisch in Judith Fillingtons ehemaliger Bibliothek liegt.
»Ich werde dir etwas zeigen«, sagt Hans Olofson.
Die Frau schreckt aus ihrem Halbschlaf hoch und folgt ihm in die obere Etage zu dem Zimmer, das früher bis in den letzten Winkel mit Tierskeletten gefüllt war. Er macht das Licht an und schließt die Tür hinter sich.
»Das hier?« sagt sie und lacht. »Ein leeres Zimmer?«
Ohne zu antworten drängt er sie gegen die Wand, zieht ihren Rock hoch und dringt in sie ein.
»Ein leeres Zimmer«, wiederholt sie und lacht.
»Stell dir vor, ich wäre schwarz«, sagt Hans Olofson.
»Sag so etwas nicht«, antwortet sie.
»Stell dir vor, ich wäre schwarz«, sagt Hans Olofson noch einmal.
Als es vorbei ist, klammert sie sich an ihn, und er nimmt den Schweißgeruch ihres ungewaschenen Körpers wahr.
»Noch mal«, sagt sie.
»Nie im Leben«, erwidert er. »Das ist mein Fest, hier entscheide ich.«
Schnell geht er davon und läßt sie allein.
Revolverschüsse schallen aus dem Garten, und er hält es auf einmal nicht mehr aus. Er wankt in die Dunkelheit hinaus und denkt, daß der einzige Mensch, in dessen Nähe er jetzt sein will, Joyce Lufuma ist.
Er setzt sich in den Wagen und verläßt das Haus und sein Fest mit einem Kavaliersstart. Zweimal kommt er von der Straße ab, ohne sich jedoch zu überschlagen, und fährt schließlich vor ihrer Hütte vor.
Der Vorgarten ist dunkel und still. Im Licht der Autoscheinwerfer sieht er den Verfall, und er schaltet den Motor aus und bleibt in der Dunkelheit sitzen. Es ist eine laue Nacht, und er tastet sich zu seinem Stammplatz unter dem Baum vor.
Wir tragen alle einen verlassenen jaulenden Hund in uns, denkt er. Seine Pfoten mögen verschiedene Farben haben, sein Schwanz mag vielleicht abgeschnitten sein. Aber der Hund ist dennoch in uns allen.
Im Morgengrauen wacht er auf, als eine von Joyces Töchtern vor ihm steht und ihn ansieht. Er weiß, daß sie zwölf ist, er erinnert sich noch an ihre Geburt. Ich liebe dieses Kind, denkt er. In ihr kann ich etwas von mir selber wiederentdecken, die Größe des Kindes, die immerwährende Bereitschaft, anderen fürsorglich zu begegnen.
Sie sieht ihn ernst an, und er zwingt sich zu einem Lächeln. »Ich bin nicht krank«, sagt er. »Ich sitze hier nur und ruhe mich ein wenig aus.«
Als sie sein Lächeln sieht, lächelt sie zurück.
Ich kann dieses Kind nicht im Stich lassen, denkt er. Ich, ich allein trage die Verantwortung für Joyce und ihre Töchter.
Er hat Kopfschmerzen, ihm ist übel, und es schaudert ihn, wenn er sich an den erbärmlichen Geschlechtsakt in dem leeren Zimmer erinnert.
Ebensogut hätte ich ein Skelett besteigen können, überlegt er. Die Demütigungen, die ich mir selbst zufüge, scheinen keine Grenzen zu kennen.
Er kehrt zu seinem Haus zurück, sieht Luka im Garten Glassplitter aufsammeln und denkt, daß er sich auch vor Luka schämt. Die meisten Gäste sind fort, nur Ruth und Werner Masterton sind noch geblieben. Sie sitzen auf der Terrasse und trinken Kaffee. Der Schäferhundwelpe, den er Sture getauft hat, liegt zu ihren Füßen.
»Du hast also überlebt«, sagt Werner mit einem Lächeln. »Die Feste werden immer wüster, so als stünde der Tag des Jüngsten Gerichts unmittelbar bevor.«
»Wer weiß?« sagt Hans Olofson.
Luka geht unter der Terrasse vorbei. Er trägt einen Eimer voller zersplitterter Flaschen. Ihre Blicke folgen ihm bis zu der Grube, in die er den Müll ausleert.
»Komm uns einmal besuchen«, sagt Ruth, als sie und Werner aufstehen, um zu ihrer Farm zurückzukehren.
»Das werde ich tun«, meint Hans Olofson.
Einige Wochen nach dem Fest hat er seinen bisher schwersten Malariaanfall. Die Fieberträume jagen ihn vor sich her.
Im Traum wird er von seinen eigenen Arbeitern gelyncht. Sie reißen ihm die Kleider vom Leib, schlagen ihn mit Stöcken und Knüppeln blutig und treiben ihn vor sich her
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