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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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so weiterzuführen wie bisher, aber ohne die Ruhe mit Einfällen zu stören, die den Afrikanern doch niemals etwas bedeuten werden. Ihre Zukunft gestalten sie selbst. Ich leiste meinen Beitrag zur Produktion von Lebensmitteln, und das ist niemals Zeitverschwendung. Im Grunde habe ich keine Ahnung, was die Afrikaner von mir denken. Ich muß Peter Motombwane einmal danach fragen, und vielleicht bitte ich ihn, sich ein wenig bei meinen Arbeitern umzuhören. Ich frage mich, was Joyce Lufuma und ihre Töchter denken.
    Mit dem Gefühl, innere Ruhe gefunden zu haben, kehrt er nach Kalulushi zurück, wohl wissend, daß er die verborgenen Strömungen des Lebens niemals ganz verstehen wird. Manchmal muß man gewisse Fragen auf sich beruhen lassen, denkt er, weil es auf sie keine Antworten gibt.
    Als er durch das Tor der Farm fährt, denkt er an Eier-Karlsson, der das Feuer offensichtlich überlebt hat. In meiner Kindheit war ich der Nachbar eines Eierhändlers, denkt er. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, daß ich einmal Eierhändler in Afrika sein würde, hätte ich es nicht geglaubt. Es wäre gegen jede Vernunft gewesen.
    Trotzdem bin ich der Mensch, der ich heute bin. Ich verdiene viel, die Farm ist solide. Aber meine Existenz steht auf tönernen Füßen.
    Eines Tages werden Mister Pihri und sein Sohn vielleicht erklären, sie könnten sich nicht mehr um meine Papiere kümmern, woraufhin die staatlichen Behörden mich zu einer unerwünschten Person erklären. Ich lebe hier, ohne Rechte zu haben, ich bin kein Staatsbürger, dessen Wurzeln juristisch gesehen in Afrika liegen. Man kann mich ohne Vorwarnung ausweisen, die Farm konfiszieren.
    Wenige Tage nach seiner Rückkehr vom Sambesi sucht er Patel in Kitwe auf und organisiert den Transfer höherer Geldbeträge in ausländischer Währung an die Bank in London.
    »Die Sache wird immer schwieriger«, erklärt Patel. »Es wird immer riskanter.«
    »Zehn Prozent schwieriger?« fragt Hans Olofson. »Oder zwanzig Prozent schwieriger?«
    »Ich würde eher sagen, fünfundzwanzig Prozent schwieriger«, antwortet Patel betrübt.
    Hans Olofson nickt und verläßt das dunkle Hinterzimmer, in dem es nach Curry und Parfüm riecht. Ich sichere mich durch ein immer komplizierteres Geflecht aus Schmiergeldern, Geldtransaktionen und Korruption ab, denkt er. Im Grunde bleibt mir gar keine andere Wahl. Im übrigen kann ich mir nicht vorstellen, daß die Korruption hier tatsächlich so viel umfassender sein soll als in Schweden. Der Unterschied liegt wohl eher in der Deutlichkeit. Hier sticht einem alles sofort ins Auge. In Schweden sind die Methoden ausgeklügelter, bilden ein verfeinertes und wohlgehütetes Muster. Aber das ist wahrscheinlich auch schon der einzige Unterschied.
    Der Zeitbogen wölbt sich, Hans Olofson verliert einen Zahn und kurz darauf einen weiteren.
    Er wird vierzig und lädt seine vielen weißen und wenigen schwarzen Freunde zu einem Fest ein. Peter Motombwane sagt ab, ohne jemals einen Grund anzugeben. Hans Olofson wird im Laufe des Fests sehr betrunken. Er lauscht unbegreiflichen Ansprachen von Menschen, die er kaum kennt. Redner überschütten ihn mit Lob und errichten ein Fundament aus Ehrwürdigkeit für seine afrikanische Farm.
    Sie danken mir dafür, daß ich meine Farm mittlerweile ohne übertriebene Ansprüche an ihre Funktion als zukünftiges Vorbild betreibe, denkt er. Kein wahres Wort wird hier gesprochen.
    Auf unsicheren Beinen bedankt er sich gegen Mitternacht dafür, daß seine Gäste in so großer Zahl erschienen sind. Plötzlich wird ihm klar, daß er schwedisch spricht. Er hört sich in seiner alten Sprache gegen die rassistische Anmaßung wüten, die charakteristisch für die Weißen ist, die noch in dem afrikanischen Land leben.
    Er tobt sich mit einem freundlichen Lächeln aus. »Ein Pack von Schurken und Huren seid ihr«, sagt er und erhebt sein Glas.
    »How nice«, sagt eine ältere Frau nachher zu ihm, »die beiden Sprachen zu vermischen. Aber wir fragen uns natürlich, was Sie gesagt haben.«
    »Ich erinnere mich kaum«, antwortet Hans Olofson und zieht sich allein in die Dunkelheit zurück.
    Zu seinen Füßen hört er ein Winseln und entdeckt den Schäferhundwelpen, den er von Ruth und Werner Masterton geschenkt bekommen hat.
    »Sture«, sagt er. »Von jetzt an heißt du Sture.«
    Der Welpe jault, und Hans Olofson ruft Luka herbei. »Kümmere dich um den Welpen«, sagt er.
    »Ja,
bwana
«, antwortet Luka.
    Das Fest entartet im Laufe der Nacht.

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