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Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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längst abreißen lassen?“, fragte ich.
    „Nostalgie“, erklärte Onkel Vincent. „Einerseits lasse ich ungern Abrissbagger in den Garten. Die würden mir den Rasen und die Beete kaputtfahren. Und andererseits … Ich dachte immer, ich würde es irgendwann wieder herrichten lassen. Das Gewächshaus zum Beispiel war früher eine Art Orangerie, mit exotischen Pflanzen und Palmen. Es ist ein alter Traum von mir, dort die Vergangenheit wieder auferstehen zu lassen, aber bisher bin ich noch nicht dazu gekommen. Normalerweise toben auch keine Kinder im Garten rum, wegen denen ich mir Sorgen machen müsste.“
    Ich beschloss, die Beleidigung von wegen „Kinder“ zu ignorieren.
    „Am besten, du bleibst am Pool“, mischte Sabine sich ein. „Und badest da.“
    Baden? An meiner Schule war ich eine der besten Schwimmerinnen! „Kann man denn noch woanders schwimmen?“, fragte ich nach.
    „Da ist natürlich noch der Teich. Fall nicht rein, ja?“
    Ein Teich? Den hatte ich noch gar nicht entdeckt. Aber wie auch, wenn ich den ganzen Tag Regale einräumen musste?
    Onkel Vincent warf mir einen kritischen Blick zu, als wüsste er genau, wie gerne ich mich in jedes Wasser stürzte, das sauber genug war. „Da solltest du lieber nicht drin schwimmen. Die Uferzone ist nicht befestigt.“
    „Aber man könnte doch, oder?“ Ich würde nämlich am nächsten Abend ganz bestimmt nicht am Pool sein, wo dieser blöde Rico sich über mich lustig machen konnte. Sollte er ruhig merken, dass ich sauer war. „Du hältst da keine Krokodile oder Piranhas oder so?“
    Sabine seufzte, aber Onkel Vincent lachte. „Wenn du dafür von allen abbruchreifen Gebäuden fernbleibst, darfst du den Teich meinetwegen ausprobieren. Ich hatte mal Kois drin, aber die wurden von einem diebischen Reiher gefressen. Vielleicht stöberst du ja noch ein Exemplar auf, das sich unter den Seerosen versteckt hat. Wie war dein Tag im Laden?“
    Ich hatte meinen Frust über Frau Behr schon bei Rico abgeladen, daher konnte ich mich zusammenreißen und so tun, als seien die Stunden dort keine Sklavenarbeit gewesen, sondern als hätte ich alles ganz locker bewältigt.
    „Gut“, sagte er zufrieden. Ein kleines Zwinkern weckte jedoch den Verdacht in mir, dass er durchaus darüber Bescheid wusste, dass ich die Sache etwas beschönigte. „Ich muss morgen früh weg, für ein paar Tage. Das kommt leider ganz plötzlich. Wann trifft deine Freundin ein, diese Marie-Sophie?“
    „Tatjana“, betonte ich, „ist schon so gut wie unterwegs.“

    Der Weg durch das Wäldchen war schmal und holprig, und bei einem Sturz wäre ich kopfüber in den Brombeeren gelandet. Trotzdem fuhr ich so schnell wie möglich und stoppte die Zeit.
    Zehn Minuten.
    Zehn Minuten vom Tor bis ins Dorf, und dann noch ein paar zusätzliche, weil mich der Verkehr zum Anhalten zwang. Zwölf Minuten, als ich mein Rad schließlich vor dem Feinkostladen abstellte. In Gedanken war ich weit fort, trotzdem zwang ich mich zu einem Lächeln, als ich das „Riebeck & Meyrink“ betrat.
    „Hallo, Frau Behr. Was ist heute dran?“
    „Kisten ausräumen“, erklärte sie. Selbst mein pünktliches Erscheinen vermochte ihre Laune nicht zu bessern, und mit Argusaugen überwachte sie meine Arbeit, als könnte ich mir heimlich ein Gläschen mit Tomatensoße genehmigen, für das ich nicht bezahlt hatte.
    „Ich hab eine Stunde Mittagspause“, sagte ich. „Da kann ich doch hoch zum Schloss fahren und bin pünktlich um zwei Uhr wieder hier.“
    Frau Behr runzelte die Stirn, und ihre Omalocken kräuselten sich vor Entsetzen. Aber ihr fiel nichts ein, was sie dagegen einzuwenden gehabt hätte, und so erteilte sie mir zähneknirschend die Erlaubnis.
    Anders als geplant benötigte ich auf dem Rückweg fünfzehn Minuten bis zum Tor. Ich hatte nicht berücksichtigt, wie heiß es um die Mittagszeit sein würde. Hatte es früher nicht auch mal verregnete Sommer gegeben? Wenigstens eine schattige Wolke? Nichts da. Bei brüllender Hitze strampelte ich mich ab und stellte fest, dass es außerdem noch leicht bergauf ging. Im Wald roch es süß nach Beeren und Gras, und was hätte ich dafür gegeben, mich in dieser Stunde im Pool treiben zu lassen! Stattdessen raste ich, nachdem ich das kleine Nebentor mit meinem eigenen Schlüssel geöffnet hatte, die kiesbewachsene Auffahrt hinauf, am Haus entlang durch den Bogen in der Steinmauer und nach hinten in den Garten. Ich hatte darauf spekuliert, dass um diese Zeit auch die Angestellten

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