Das Auge des Sehers (German Edition)
Schock. Ein immenser Verlust. Er war unsere Sonne, um die sich alles drehte. Arian ist unersetzlich.»
«Ich sah mir gestern Abend rein … ich sah mir gestern Abend die Sendung an. Haben Sie oder einer Ihrer Kollegen vielleicht die Stimme des Mannes erkannt, der Arian Nostramo bedrohte?»
«Leider nein. Aber diese Drohung ist nichts Ungewöhnliches. Höchstens, dass sie live über den Sender ging. Im Schnitt erhalten wir zwei bis drei Drohungen pro Tag. Von Morddrohungen bis dahin, dass man unser Gebäude in die Luft sprengen will.»
«Erstatten Sie jeweils Anzeige?»
«Ach wissen Sie, Frau Kupfer, das nützt überhaupt nichts. Solche Menschen sind irregeleitete Wesen. Was bringt es uns, wenn wir ihnen den ohnehin schwierigen Weg noch erschweren? All diese Drohanrufe sind im Grunde nichts anderes als Hilferufe. Wir wollen niemandem schaden. Ganz im Gegenteil, wir möchten den Menschen helfen und verkünden die Liebe – und nichts als die Liebe.»
«Schön und gut. Nur leider hat einer dieser Hilfesuchenden Ihren Anführer ermordet.»
«Wir beten für ihn und ich bin sicher, dass Arian ihm bereits vergeben hat.»
Sie machte eine andächtige Bewegung zum Himmel hinauf.
«Es mag durchaus sein, dass Arian ihm vergeben hat. Aber wir sind hier und jetzt für die irdische Gerechtigkeit zuständig und möchten den Mörder gern fassen.»
Alura Randa schloss die Augen.
«Sie müssen sich von Ihrem Hass befreien, Frau Kupfer. Er wird sie innerlich verzehren.»
Ferrari hörte fasziniert zu. Bevor Nadine etwas erwidern konnte, fuhr Alura weiter.
«Da ist Herr Ferrari viel weiter. Ich spüre seine Aura. Er ist mit sich im Reinen. Ich sehe …»
«Ja … Alura … was sehen Sie?», hauchte der Kommissär.
«Ich sehe … es sind nur verschwommene Bilder. Ja, jetzt kann ich es erkennen: eine Frau, ein Kind, nein, kein Kind, eine Jugendliche … eine Familie, die glücklich ist. Die in Frieden lebt. Ich sehe …»
Ferrari hing Alura Randa an den Lippen.
«Ich sehe … es ist ganz weit weg. Jemand hier im Raum stört meine Kreise.»
Ferrari sah Nadine wütend an.
«Jetzt … jetzt ist es ganz verschwunden. Es tut mir leid, Herr Ferrari.»
«Bitte, Alura, könnten Sie es nicht noch einmal versuchen?»
«Es ist zwecklos. Wenn die Kreise gestört werden, kann ich sie nicht mehr aufbauen. Vielleicht ein anderes Mal.»
Der Kommissär sass enttäuscht auf seinem knirschenden Etwas.
«Nun gut, dann können wir doch zurück auf den Teppich der Realität kommen. Wer könnte es auf Adrian Moosmann abgesehen haben?»
«Alle liebten Arian. Feinde gab es keine, Frau Kupfer!»
«Einen schon. Er wird sich wohl nicht selbst eine Kugel durch den Kopf geschossen haben.»
«Vielleicht der Mann, der anrief.»
«Wie geht es jetzt eigentlich weiter mit der Nostramo GmbH?»
«Das wissen wir noch nicht so genau. Es wäre auch sehr unanständig, darüber zu reden und auch Taten folgen zu lassen, solange unser verehrter Meister noch nicht einmal beerdigt ist. Wir warten …»
«Auf die Beerdigung?»
«Auf ein Zeichen von Arian. Wir warten darauf, dass Arian einen von uns als seinen Nachfolger bestimmt, der sein Werk in seinem Namen weiterführt. So lange bin ich die Statthalterin, die alles zusammenhält. Mehr nicht.»
«Und wenn Sie nicht erkoren werden?»
Alura Randa lächelte sanft.
«Dann bin ich nicht rein genug, um unsere Gemeinschaft zu führen. Aber das kann und wird einzig und allein Arian entscheiden.»
Nadine gab sich geschlagen. Die Unterhaltung nahm groteske Züge an.
«Komm, Francesco, das bringt nichts. Wir gehen.»
«Alura, ich darf Sie doch Alura nennen … Ich heisse Francesco.»
«Es ist mir ein Vergnügen und eine Ehre, wenn du mich duzen würdest.»
«Alura, die Ehre ist ganz meinerseits. Ich begreife, dass du in allen Menschen nur das Gute siehst. So habe ich auch Arian eingeschätzt. Aber da draussen, da läuft jemand frei herum, den wir fassen müssen. Vielleicht ist Arian nur das erste Opfer gewesen. Wer garantiert dir, dass du nicht die Nächste bist? Um das zu verhindern, sind wir auf deine Hilfe angewiesen.»
Alura dachte angestrengt nach.
«Es ist bestimmt im Sinn von Arian, wenn ich dir helfe, Francesco. Ich spüre eine Seelenverwandtschaft zwischen uns. Mehr noch. Ich spüre, dass dein Geist vieles mit Arians Geist gemeinsam hat.»
Der Kommissär war sichtlich gerührt.
«Vielen Dank, Alura. Darf ich dir einige Fragen stellen?»
Alura Randa nickte langsam und bedächtig. Ihre Bewegungen
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