Das Auge des Sehers (German Edition)
gegnerischen Partei eine kurze Notiz, dass sie das Testament nicht anfechten würde. Ende gut, alles gut», schmunzelte Schwegler.
«Dürfen wir Ihnen noch bezüglich der Stiftung ein paar Fragen stellen?»
«Selbstverständlich. Entschuldigen Sie mich nur einen Augenblick. Ich habe um zehn einen Termin und möchte kurz mitteilen, dass ich mich etwas verspäten werde.»
«Wir können auch später wieder kommen.»
«Nur das nicht, Herr Kommissär. Ich bin beim Zahnarzt angemeldet und es gibt nichts Schlimmeres für mich. Wenn ich Glück habe, ist ab elf sein Terminkalender voll.»
Nadine blätterte derweil einige Gesetzesbücher durch, während Ferrari auf den Zähnen herumdrückte.
«Komm mir jetzt nicht damit, dass du Zahnweh hast.»
«Habe ich auch nicht», nestelte Ferrari. «Aber der hier links hinten, mit dem stimmt etwas nicht.»
«Soll ich dich beim Zahnarzt anmelden?»
«Es geht schon … nur, wenn ich ihn antippe, dann glaube ich, dass er sich sogar bewegt. Vielleicht fällt er bald raus.» Er fuhr mit der Zunge über den Zahn. «Esch schtimmt wirklich wasch nischt.»
«Hör mit dem Blödsinn auf! Du bist und bleibst ein Hypochonder. Was hältst du von Schwegler?»
«Sehr kooperativ.»
«Verdächtig kooperativ, würde ich sagen.»
Bevor der Kommissär antworten konnte, kam der Notar zurück.
«Pech! Scheint nicht viel los zu sein. Er kann mich auch noch in einer Stunde behandeln. Wo waren wir stehen geblieben?»
«Wir haben noch einige Fragen zur Stiftung.»
«Genau. Bitte.»
«Arian Nostramo war Geschäftsführer der Nostramo GmbH, aber er sass nicht im Stiftungsrat. Wieso nicht?»
«Auf meinen ausdrücklichen Wunsch. Ich sitze in einigen Verwaltungs- und Stiftungsräten und achte immer sehr darauf, dass Personen, die operativ tätig sind, nicht gleichzeitig im Verwaltungsrat sitzen.»
«Sitzt nicht meistens ein Manager oder der CEO einer Firma im Verwaltungsrat?»
«Das ist richtig. Aber ein Stiftungsrat sollte autonom handeln können. Wenn nun das Aushängeschild der Stiftung beziehungsweise der Unternehmung im Stiftungsrat sitzt, sind Konflikte vorprogrammiert.»
«Konkret?»
«Gehen wir vom negativsten Aspekt aus. Arian verändert sich, weil ihm sein Erfolg zu Kopf steigt. Wir bemerken die negative Entwicklung, können diese jedoch nicht wirklich diskutieren und eine Entscheidung treffen, weil Arian einer der Stiftungsräte ist.»
«Ich sehe darin kein Problem. Er hätte in einem solchen Fall einfach in den Ausstand treten müssen.»
«Eine … theoretische Möglichkeit. Ich bin für klare und transparente Strukturen. Einige Katastrophen, die Pleite der Giezendanner AG zum Beispiel, hätten vermieden werden können, wenn die operative Leitung und der Verwaltungsrat nicht ein einziger Klüngel gewesen wären. Ich halte es in diesem Punkt ganz mit der Politik, Exekutive und Legislative sind mit Vorteil zu trennen. Das heisst, die operative Führung und der Verwaltungsrat müssen von verschiedenen Personen bekleidet werden.»
«Hält die Stiftung nebst der Nostramo GmbH noch Anteile weiterer Firmen?»
«Ich gebe Ihnen den letzten Jahresbericht mit.» Schwegler öffnete eine Schublade. «Hier, bitte sehr. Da steht alles drin. Neben der Nostramo GmbH verfügt die Stiftung noch über einen stattlichen Immobilienbesitz in der Region Basel.»
«Wie kommt sie dazu?»
«Durch Spenden, Legate und aus dem Gewinn der Nostramo GmbH.»
«Sie sind der Präsident der Stiftung?»
«Gewählt für zwei Jahre im Rotationsprinzip. In einem Jahr wird Andrea den Vorsitz übernehmen. Übrigens ist die Zusammensetzung des Stiftungsrats eine glückliche Fügung. Ein Architekt, eine Finanzspezialistin und ein Notar. Wir sind ein echt gutes Team.»
«Gibt es auch einen Stiftungszweck?», stichelte Nadine.
«Aber ja doch! Schlagen Sie bitte den Jahresbericht auf Seite zehn auf. Da sehen Sie, was wir mit dem Geld machen. Wir haben rund sechshundert Gönner und einmal pro Jahr laden wir alle ein. An diesem Event, meistens findet er im ‹Stadtcasino› statt, stellen wir drei grössere Projekte vor, die wir unterstützen wollen. Etwa die Planung und Realisierung einer Kindertagesstätte oder der Aufbau einer Organisation, die Lebensmittel an bedürftige Familien und Einzelpersonen verteilt.»
«Berliner Tafel!»
«In diese Richtung geht es, Herr Kommissär. Während des Abends füllen die Gönner einen Zettel aus und nehmen so Stellung, was ihnen gefällt beziehungsweise was sie lieber nicht
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