Das Auge des Sehers (German Edition)
plötzlich warf er alles über den Haufen. Vermutlich war es wieder einmal so weit. Zelte in Riehen abbrechen und alles, was damit verbunden war, also auch die Aktien, verkaufen. Ah ja, er besitzt übrigens noch eine kleine Wohnung in der Efringerstrasse, wo er in den ersten Jahren gewohnt hat. Es ist eine Zwei- oder Dreizimmerwohnung, nichts Besonderes. Ich war nur einmal dort, die Gegend ist nicht gerade meine bevorzugte Wohnlage. Aber jedem das Seine. Arian benutzte diese Wohnung nur noch als Zufluchtsort, wenn er allein sein wollte. Von dieser Wohnung wissen nur Alura und ich.»
«Wer hat Arian Nostramo umgebracht?»
«Ich weiss es leider nicht, Frau Kupfer. Was ist mit dem Mann, der ihn am Telefon bedrohte?»
«Da verfolgen wir eine heisse Spur.»
«So viel ich weiss, kamen immer wieder Drohanrufe. Sie sollten mit Alura Randa darüber sprechen. Die kann Ihnen sicher weiterhelfen. Oder reden Sie mit seinen beiden Assistenten. Am besten mit Jason, der stand Arian näher als Irion.»
«Irion?»
«Sein zweiter Assistent, Frau Kupfer. Kennen Sie Arians Sendung?»
«Nein, so einen Mist schaue ich mir nicht an.»
«Sollten Sie aber. Vielleicht würden Sie Ihre Meinung ändern. Die beiden Assistenten bleiben immer im Hintergrund und wechseln sich ab. Bei der ersten Beratung Jason, bei der zweiten dann Irion und so weiter.»
«Und wozu?»
«Es kam manchmal vor, dass Arian ins Stocken geriet. In solchen Momenten stellte er Jason oder eben Irion eine rhetorische Frage, um Zeit zu gewinnen.»
«Eine letzte Frage …»
«Sie wollen sicher wissen, wo ich am Montagabend gewesen bin.»
«Das war eigentlich nicht meine Frage. Also dann, meine zweitletzte Frage: Wo waren Sie am Montagabend?»
«Ich war mit einer Freundin im ‹Stadtcasino›, Herr Kommissär.»
«Gut, danke. Und nun, die letzte Frage wäre – wie geht es jetzt weiter?»
«Da muss ich passen. Wir haben am nächsten Freitag eine Sitzung. Danach sind wir hoffentlich schlauer.»
«Wird Alura Randa die Nachfolgerin von Arian?»
«Sie ist eine treue Gefolgsfrau von Arian, nur leider fehlt ihr das Charisma. Eine gute Nummer zwei, aber keine Nummer eins.»
«Und Jason und Irion?»
«Jason ist ein fähiger, junger Mann. Ihm würde ich die Aufgabe zutrauen, hätte er nur etwas mehr Ehrgeiz. Ihm scheint die Rolle des Mitläufers, des treuen Dieners zu genügen. Das gilt übrigens auch für Irion.»
«Zusammengefasst heisst das, Jason und Irion wären zwar fähig, sind aber nicht ehrgeizig genug, während Alura nicht infrage kommt, weil ihr die nötige Ausstrahlung fehlt.»
«Exakt auf den Punkt gebracht. Der Stiftungsrat wird sich für einen der drei entscheiden müssen.»
«Haben Sie sich bereits festgelegt?»
«Ich … ja, aus pragmatischen Gründen.»
«Dürfen wir wissen, wen Sie wählen?»
«Ich denke, dass wir uns für Alura entscheiden werden.»
Nadine und der Kommissär tranken im «Ono» auf der Lyss einen Kaffee.
«Und?»
«Zuerst konnte ich ihn nicht ausstehen. Ein glitschiger Aal, dieser Schwegler. Rückt sofort alle Informationen raus. Aber das, was er über Arian sagt, macht ihn mir wieder sympathisch.»
«Weil er genauso denkt wie du. Irgendwie hinterhältig, er nutzt seinen Freund schamlos aus. Findest du nicht?»
«Quatsch! Schwegler glaubt nicht an die übersinnlichen Kräfte seines Freundes, erkennt aber, dass man damit Geld verdienen kann, und zwar nicht zu knapp. Mit dem Kapital kann er andere Projekte realisieren. Und wenn ich mir die letzten drei hier anschaue, dann kann ich nur sagen, super!»
«Trotzdem, fair ist es nicht.»
«Fair! Fair! Das Leben ist nicht fair. Wach endlich auf aus deiner rosarot gefärbten Seifenblase, Francesco! Arian wusste ja, dass Schwegler nicht an seine Fähigkeiten glaubt, also kann von ausnutzen keine Rede sein. Betrachten wir das Ganze doch von einer anderen Seite. Arian half offenbar manch verirrtem Schäfchen und diese Herdentierchen entrichteten dafür einen Obolus, womit Schwegler seinerseits gute Taten vollbringen konnte. Eine optimale Kausalität.»
«Hm. Schäfchen, Obolus, fehlt nur noch Charon.»
«Wie bitte?»
«Ach, nichts. Was hältst du von der Geschichte mit der Villa und den Aktien?»
«Ich bin mir nicht sicher, ob sie stimmt. Wie auch immer, nachgehen sollten wir der Sache allemal. Schweglers Argumentation war einleuchtend. Den Spinner konnte niemand coachen. Wahrscheinlich hat er sich dermassen in seinen Ich-bin-Gott-Wahn hineingesteigert, dass er es zum Schluss
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