Das Auge des Sehers (German Edition)
was es zu kaufen gibt. Es ist ein absoluter Skandal. Am schlimmsten von allen ist diese Obersektiererin, diese Schwander.»
Ferrari sah Nadine fragend an.
«Er meint Alura Randa.»
«Die arbeitete früher bei der Stadt. Ihr Ex ist beim Bauinspektorat. Wie gesagt, die haben ein Wahnsinnsnetz aufgebaut. Dagegen kommen wir nicht an», die letzten Worte klangen ziemlich resigniert.
«Wo waren Sie am Montagabend?»
«Zu Hause. Das wird meine Frau bestätigen. Nein … warten Sie, jetzt fällts mir wieder ein. Ich musste noch dringend zu einem Kunden nach Riehen, das war so um halb zehn.» Mangold schrieb Name und Adresse auf. «Den können Sie ruhig anrufen.»
Ferrari und Nadine verabschiedeten sich und spazierten an den Sportanlagen entlang zur nächsten Tramstation.
«Und nun, Herr Kommissär? Immer noch davon überzeugt, dass das alles harmlose Wohltäter sind?»
«Meister Röhrich sieht Gespenster!»
«Röhrich?»
«Mangold sieht aus wie der Installateurmeister in den Werner Comics, ist wahrscheinlich dem Trickfilmzeichner Modell gestanden.»
«Hat etwas. Es fehlt nur noch, dass er die ganze Zeit mit einer Zigarre im Mundwinkel durch die Gegend läuft», lachte Nadine.
«Mir kommt alles ein wenig absurd vor. Der Mann sieht überall Gespenster. Fakt ist doch, dass es mit der Wirtschaft nicht so gut läuft. In der Rezession wird weniger gebaut, Investitionen werden verschoben, Aufträge fallen weg und somit wird der Konkurrenzkampf härter. Darunter leiden alle. Aber nein, Arian und seine Leute sind schuld. Sehr, sehr einfach gestricktes Erklärungsmuster.»
«Die beiden Absagen waren also reiner Zufall?»
«Möglicherweise.»
«Sicher bist du nicht. Ich glaube nicht an eine Reihe von Zufällen. Wie Mangold sagte, die haben ein raffiniertes System aufgebaut. Arian Nostramo ist der Guru, Alura Randa zieht im Hintergrund die Fäden, sie erfährt über ihre Kontakte zum Baudepartement, vielleicht sogar zum Erbschaftsamt, wo etwas zu verkaufen ist, Yvo Liechti kennt alle Architekten und Investoren, Andrea Grossen verfügt über das nötige Kleingeld, wo die Finanzen der Nostramos nicht ausreichen, und Arthur Schwegler besiegelt die Verträge. Ein verdammt ausgeklügeltes System.»
«Du glaubst also an diese Verschwörungstheorie?»
«Möglicherweise. Nein im Ernst, es klingt doch logisch. Hinzu kommt, dass unser Herr Staatsanwalt davor gewarnt hat, zu sehr im Wespennest herumzustochern. Das würde bei dem Aufgebot passen.»
«Du meinst, dass er selbst in die Sache verstrickt ist?»
«Nicht unbedingt. Aber er kennt die Akteure und die Mechanismen, nach denen das Ganze abläuft.»
«Und der Anschlag auf Arian?»
«Das waren mit Sicherheit Mangold und Co. Seine Unschuldsbeteuerung nehme ich ihm nicht ab. Die wollten ihm einen Denkzettel verpassen.»
«Ich habe da so eine Idee …» Ferrari drehte sich um. «Komm, Tochter, wir schauen uns die Baustelle am Baselmattweg an. Und dann besuchen wir den Architekten Studer und fragen ihn, weshalb er das Quartierkonsortium nicht berücksichtigt hat.»
8. Kapitel
Mit dem Aushub war bereits begonnen worden. Ferrari starrte fasziniert in die gigantische Baugrube. Baggerfahrer! Das war auch einer seiner Kindheitsträume. Später wollte er Pirat werden und schliesslich Polizist. «Nichts ist aus dir geworden, Francesco», hörte er seine Mutter sagen. «Nur ein Polizist. Wenn das dein Vater noch erleben müsste.» Der Bagger tief unten in der Grube kam ihm klein und unbedeutend vor. Langsam fuhr ein Lastwagen in die Baustelle hinunter, während weitere Kipplaster oben an der Strasse auf ihren Einsatz warteten. Von weit her erreichte ihn eine feine Stimme.
«Nadine an Francesco, bitte kommen … bitte kommen … Was glotzt du so in die Baugrube? Habe ich etwas verpasst?»
«Als Kind wollte ich immer Baggerfahrer werden. Mit meinem ersten Bagger habe ich den halben Garten umgegraben.»
«Muss ein kleiner Garten gewesen sein.»
«Das verstehst du nicht. Mädchen werden keine Baggerfahrer.»
«Mädchen träumen von anderen Dingen.»
«Zum Beispiel?»
«Das binde ich dir doch nicht auf die Nase.»
«Das ist eben dein Problem. Immer schön zurückhaltend, ja nie etwas aus dem Privatleben erzählen. Du hast eine Wahnsinnsmauer um dich herum gebaut und, als wäre dies nicht Schutz genug, muss man höllisch vor deinem Stachel aufpassen. Hast du gewusst, dass die meisten Skorpione Einzelgänger sind? Neulich habe ich mit deinem …», Ferrari verstummte abrupt.
«…
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