Das Auge des Sehers (German Edition)
deinem Zustand nicht alleine nach Hause, Mam. Ich fahre dich.»
«Nein, nein. Lass nur. Es geht schon. Ihr habt genug Sorgen. Da müsst ihr euch nicht noch meine aufbürden.»
Es klingelte.
«Wer kann das um diese Zeit sein? Warte, Monika, ich mach auf.»
Ferrari war froh, aus dem Wohnzimmer fliehen zu können.
«Mama! Was machst du denn hier?»
«Ist Hilde bei euch?» Sie stiess ihren Sohn zur Seite und ging schnurstracks ins Wohnzimmer. «Hier bist du also, dachte ich mir doch. Verbreitest du deine Ammenmärchen?»
«Ich erzähle nur die Wahrheit.»
«Und die wäre?»
«Dass du Iris mitnehmen willst und ich mich weigere, weil ich sie nicht mag. Iris ist sehr anstrengend. Du kannst ja mit ihr nach Strassburg fahren. Dann hast du wieder einmal deinen Kopf durchgesetzt.»
«Iris ist eine gute Freundin. Du bist ja nur eifersüchtig auf sie.»
«Pah! Geh nur mit deiner Iris. Du wirst schon noch merken, wie sie ist.»
«Sicher nicht schlimmer als du.»
Ferrari setzte sich an den Tisch und nippte an seinem Glas. Das Ganze war hoffnungslos. Wie konnte man nur seine Energie mit so nichtigen Streitereien vergeuden? Und das Schlimme daran war die Tatsache, dass keine Hoffnung auf Besserung bestand. Je älter die Damen wurden, umso häufiger und heftiger war ihr Gezanke.
«Aha! Der Herr trinkt, während sich die Mütter die Köpfe einschlagen!», zischte ihm Monika ins Ohr.
«Diese Iris ist eine dumme Kuh.»
Die drei Frauen sahen den Kommissär entsetzt an.
«So redest du nicht über meine Freundin Iris, Francesco. Ich verbitte mir das.»
«Und ich verbitte mir dein künstliches Getue, Mutter. Es ist nämlich jetzt genug.»
«Was …»
«Du hältst jetzt den Mund!», schrie Ferrari. «Jetzt rede ich, damit das klar ist. Diese Iris ist der grösste Giftdrachen, den ich kenne. Die hat Haare auf den Zähnen, ist stur, hochnäsig und weiss alles besser. Ich verstehe nicht, weshalb du sie an den Weihnachtsmarkt mitnehmen willst.»
«Das nimmst du zurück, Francesco.»
«Nein, ich denke nicht daran. Lass dir einen gut gemeinten Rat geben, Mama. Hör endlich auf mit deinen Intrigen, sonst …»
«Francesco!», Monika sah ihn entsetzt an.
«Sonst brennt bei mir eine Sicherung durch. Begreif endlich, dass sich nicht immer alles um dich drehen muss. Du bist nicht der Mittelpunkt der Erde, Mutter, falls dir das noch nie jemand gesagt hat. Hilde möchte gerne mit dir nach Freiburg und nicht nach Strassburg und schon gar nicht mit der dummen Kuh namens Iris. Und wenn du nicht augenblicklich zur Vernunft kommst, werfe ich dich eigenhändig aus meinem Haus.»
«Dein Haus? Dass ich nicht lache. Das Haus gehört Monika!», konterte sie kleinlaut.
«Monikas Haus, mein Haus. Was spielt das für eine Rolle? Also, was ist jetzt? Entweder fährst du mit Hilde oder mit Iris. Für wen entscheidest du dich?»
«Ich … ich … fahre mit Hilde. Und schrei mich nicht so an! Das macht ein gut erzogener Sohn nicht.»
Hilde setzte sich neben Martha.
«Francesco meint es nicht so, Martha. Komm, wir gehen. Wollen wir bei dir oder bei mir unsere Reise besprechen?»
«Bei dir.»
Die beiden alten Damen warteten draussen auf das Taxi. Hilde zwinkerte Ferrari zu, als sie wegfuhren.
«Ein Glas Wein, Liebling?»
«Ja, gern. Wow! Das war eine saftige Ansprache, Francesco. Du hast jetzt bei Mama einen grossen Stein im Brett.»
«Ist doch wahr. Meine Mutter soll endlich mit ihrem Psychoterror aufhören.»
«Das ist ihr bestimmt eingefahren.»
«Ob die Besserung lange anhält, bezweifle ich. Immerhin durften wir das Ende des Weihnachtsmarktdramas Teil zwei erleben. Das ist doch auch nicht schlecht.»
Ferrari erhob sein Weinglas.
«Auf dich, mein Schatz, und darauf, dass wir nie so werden wie unsere Mütter.»
Monika schmunzelte und küsste ihren Francesco zärtlich.
10. Kapitel
«Was soll ich?»
«Du sollst Studer fertigmachen.»
«Das hat er gesagt?»
«Wortwörtlich.»
«Der Trottel spricht zu viel mit seinem Grünzeug. Ich trau der Sache nicht. Sobald wir Studer aufgemischt haben, kommt die Retourkutsche. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.»
«Gut möglich. Von daher ist es wohl besser, wenn wir uns zuerst einmal mit Yvo Liechti unterhalten.»
Nadine schaute den Kommissär von der Seite an.
«Das klang komisch.»
«Was?»
«Deine Begeisterung ist anscheinend nicht gross.»
«Mit Liechti zu reden? Doch, doch. Machst du bitte einen Termin mit ihm ab?»
«Okay. Mangolds Aussage stimmt übrigens. Er war am
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