Das Auge des Sehers (German Edition)
Staatsanwalt?»
«Papperlapapp. Aber da wir gerade beim Thema sind, ich werde wieder kandidieren und dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie Ihre Beziehungen für mich spielen lassen.»
Da kannst du lange warten, du eingebildeter Gockel. Leute wie du haben nichts im Parlament zu suchen. Kein Rückgrat, ein Fähnchen im Wind.
«Ich werde Sie natürlich gerne unterstützen, Herr Staatsanwalt. Eine erneute Nichtwahl täte mir ausgesprochen leid», säuselte Ferrari.
«Papperlapapp zum Zweiten. Sie freuen sich jetzt schon wie ein kleines Kind, wenn ich nicht gewählt werden sollte, Ferrari. Zurück zum Fall, zu Paul Studer.»
«Ich weiss Bescheid. Wir werden ihn mit Samthandschuhen anfassen. Keine Skandale, keine schlechte Presse.»
Borer schnitt einer Pflanze ein dürres Blatt ab.
«Die kaputten Blätter müssen weggeschnitten werden. Dann hat die Pflanze mehr Kraft, um sich voll zu entwickeln. Sehen Sie, mein Weihnachtssternchen erholt sich. Es macht sogar neue Triebe.»
Ferrari sah sich im Zimmer um. Das neue Superklimagerät schien noch nicht gekommen zu sein.
«Wahrscheinlich hätte ich mir das Geld für den Flotex 500 sparen können. Aber Regierungsrat Leutold schwört auf das Ding. Für euch, meine kleinen Lieblinge, ist mir nichts zu teuer. Ich frage mich nur, wann es endlich geliefert wird.»
Der hat einen Vollknall! Wir versuchen, einen Mordfall aufzuklären, und sein grösstes Problem sind seine welkenden Pflanzen.
«Studer … tja, wie soll ich es Ihnen sagen?»
Jetzt kommts.
«Nehmen Sie den Kerl in die Mangel! Quetschen Sie ihn aus! Er soll spüren, was es heisst, Informationen zurückzuhalten und dadurch die Polizeiarbeit zu behindern. Kennen Sie kein Pardon. Wenn es sein muss, sperren Sie ihn vierundzwanzig Stunden ein. Tun Sie Ihre Pflicht, Ferrari. Nein, noch besser, setzen Sie Ihren Schatten auf ihn an. Die wird ihn ohne Rücksicht fertigmachen.»
Ferrari verliess einen bestens gelaunten, pfeifenden Staatsanwalt. Auf dem Heimweg dachte er über das seltsame Gespräch nach. Gut, Borers Pflanzenmanie ist das eine, daran gewöhnt man sich. Aber was in aller Welt sollte diese Aufforderung? Noch nie hat mich der Staatsanwalt ermuntert, härtere Methoden anzuwenden, ganz im Gegenteil. Was für eine Zeit! Nicht einmal auf Borer ist mehr Verlass. Moment mal … da war was … Genau! Jetzt erinnere ich mich. Vor einigen Jahren verlor der Staatsanwalt einen privaten Prozess gegen einen Architekten. Es ging um den Umbau in seinem Haus. Die Streitsumme lag irgendwo bei fünfzigtausend Franken. Daher weht also der Wind! Wahrscheinlich war Studer jener Architekt.
Das Ich-will-nicht-nach-Freiburg-Drama nahm anscheinend seine Fortsetzung. Anstelle von Martha sass nun Monikas Mutter in der Küche und weinte.
«Mama ist da.»
«Was nicht zu überhören ist.»
«Sie konnten sich gestern nicht einigen.»
«Ich will mich da nicht einmischen, Monika.»
«Feigling!»
«Die Auseinandersetzung mit meiner Mutter gestern Abend reicht mir.»
Ferrari nahm eine Flasche Wein aus dem Regal, griff nach einem Glas und wollte sich abseilen.
«Du bleibst!»
«Das ist deine Mutter. Also kannst du dich auch um sie kümmern.»
«Wenn du mich jetzt alleine lässt, rede ich einen Monat lang nicht mehr mit dir.»
Ferrari zögerte.
«Und ich koche auch nichts mehr.»
«Gut, gut, ich bleibe, bevor du noch sagst, dass es keinen Sex gibt. Was ist denn jetzt wieder los?»
«Martha will Iris mitnehmen.»
«Eine gute Idee. Ein Krampfadergeschwader zieht in den Krieg gegen Freiburg und Strassburg.»
«Sprich nicht so abschätzig über unsere Mütter.»
«Ich habe nicht gewusst, dass Iris auch eine von unseren Müttern ist. Nun mal ehrlich. Das ist doch wirklich die bissigste Ziege, die ich kenne. Fünf Männer hat sie bisher verschlissen und wo sie auftaucht, ist die Hölle los. Gegen die ist meine Mutter eine Schmusepuppe. Ich verstehe Hilde, dass sie mit dieser Kuh nicht an den Weihnachtsmarkt will.»
«Dann geh in die Küche und erzähl ihr das. Das wird meiner Mutter zwar gefallen, aber das Problem ist damit nicht gelöst.»
«Das lösen wir auch nicht.»
«Wohin willst du?»
«Ich gehe jetzt mit einer Flasche Wein nach oben, trotz massivsten Androhungen. Wie war das gleich noch? Einen Monat lang kein Wort reden, nichts kochen und …»
Hilde kam schluchzend ins Wohnzimmer.
«Ich bin ja nur eine Belastung für euch. Jetzt streitet ihr euch noch wegen mir. Monika, ich möchte nach Hause.»
«Ich lass dich doch in
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