Das Auge des Sehers (German Edition)
Bescheid, Herr Liechti?»
«Yvo reicht völlig, Herr Liechti klingt so förmlich. Ich bin dann so frei und geh auch zum Du über. Also, ich bin da nur am Rande involviert gewesen. Arian wollte sich mit den Leuten aussprechen. Eine Zeit lang sah es auch so aus, als würde man sich näherkommen. Dann haben sie ihn vermöbelt, ziemlich fest sogar und schlugen die Scheiben unseres Zentrums ein.
«Wie lange bist du schon Stiftungsrat?»
«Ich bin einer der Gründer. Das war vor rund vier Jahren. Andrea überzeugte mich, dass es eine gute Sache ist. Zudem gefiel mir Arian. Du weisst ja, Francesco, ich treffe meine Entscheidungen immer aus dem Bauch heraus.»
«Und dein Bauch ist ziemlich erfolgreich.»
«Mir macht die Arbeit Spass wie dir. Unter dieser Prämisse ist man meistens erfolgreich.»
«Sie … du bist ein Stararchitekt.»
«Na ja, etwas übertrieben, Nadine. Sagen wir, ich bin in der Schweiz und einigen europäischen Ländern nicht unbekannt. Da gibts andere in unserer Stadt, die diese Bezeichnung eher verdienen. Herzog & de Meuron oder Diener & Diener. Nicht zu vergessen die schöne Elisabeth. Die kennt ihr ja auch.»
Unwillkürlich schwebten Ferraris Gedanken zwei Jahre zurück. Ganz in der Nähe im St. Alban-Tal befand sich das Architekturbüro Zech&Zech, wo Elisabeth Fahrner damals gearbeitet hatte. Ferrari konnte sich noch sehr genau an eine ziemlich unrühmliche Szene in ihrem Atelier erinnern.
«Da werden Erinnerungen wach, nicht wahr, Francesco?», stichelte Nadine genüsslich.
«Hm!»
«Oh, habe ich womöglich in ein Wespennest gestochen?»
«Das war damals eine heikle Geschichte.» Der Kommissär betrachtete ein auf dem Tisch stehendes Modell. «Dein neustes Projekt?»
«Ein Büroturm in Malaysia. Es ist ein Kunstwerk, eine kreative Herausforderung. Das liebe ich an meinem Beruf so. Vielleicht hängt es auch ein klein wenig mit Basel zusammen.»
«Wieso mit Basel?»
«Weil wir hier eine Dichte von wunderbaren Bauwerken international renommierter Architekten haben. All die modernen Museen, Beyeler, Tinguely, das Schaulager, Vitra, oder der Campus, mit dem Novartis weltweit etwas Einzigartiges auf die Beine gestellt hat.»
«Den Campus kenne ich nicht. Da war ich noch nie.»
«Dann musst du mich unbedingt einmal begleiten, Nadine. Novartis hat weiteres Gelände von Bell dazugekauft, um den Campus auszubauen. Das ist absolut sensationell. Jetzt zieht ja dann die Roche mit ihrem Turm nach.»
«Bist du bei einem dieser Projekte dabei?»
«Nein. Ich bin versucht, zu sagen, leider nicht. Ich baue mehr in Osteuropa, im Nahen Osten und in Asien. Irgendwann werde ich aber auch noch meinen Teil zur Verschönerung unserer Stadt beitragen. Wenn ihr in Allschwil seid, müsst ihr unbedingt den Bau von Actelion besichtigen. Einfach fantastisch, was Jacques und Pierre da hingezaubert haben.»
«Das schauen wir uns bei Gelegenheit an. Ich befürchte, dass wir noch mehrmals dort in der Nähe sind.»
«Bei diesem Bau stimmt einfach alles. Von der Funktionalität bis hin zum Energiekonzept.»
«Es sieht von aussen aus, als ob ein Riese gigantische Blöcke aufeinandergeschichtet hätte.»
«Stimmt. Das architektonische Konzept ist hochinteressant. Der offene Stahlbau, dem das Thema Kommunikation zugrunde liegt, besteht aus übereinander gestapelten Trägern. In den Eckpunkten entstehen so Kernzonen, über die das ganze Gebäude erschlossen wird. Treppen und Lifte verbinden die verschiedenen Etagen miteinander. Irgendwann laufen sich an diesen Orten auch die Mitarbeiter über den Weg wie auf einer zentralen Kreuzung. Man spricht daher auch von natürlichen Kommunikationszonen. Wichtig sind auch die Glasfassaden der einzelnen Blöcke, mit Sichtkontakt auf andere Teile des Gebäudes. Alle Installationen, die Leitungen, einfach alles wurde in die Böden und die Decken verlegt, um die Glasflächen überhaupt zu ermöglichen. Sensationell finde ich auch, dass das Stapelprinzip viel Freiraum für die Begrünung lässt. Wenn alles angepflanzt ist, entsteht eine richtige Landschaft aus Natur und Architektur.»
«Wie wird das Gebäude geheizt?»
«Aus einer Mischung von elektrischem Strom, Erdgas und erneuerbaren Energien. Sorry, ich könnte stundenlang weitermachen. Wenn ich einmal ins Schwärmen gerate, bin ich nicht mehr zu bremsen. Aber ihr seid ja nicht gekommen, um mit mir über Architektur zu diskutieren. Wenn du willst, Nadine, zeige ich dir den Campus und das Actelion-Gebäude bei Gelegenheit.
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