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Das Auge von Tibet

Das Auge von Tibet

Titel: Das Auge von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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worden.«
    »Vielleicht ist ja irgendein Fehler passiert. Vielleicht hat sie Ihnen ja bei Ihrer Korruptionsuntersuchung geholfen, um zu beweisen, daß Bao den Leutnant wegen Geld ermordet hat. Suis Körper ist noch nicht verbrannt worden, und im Leichenschauhaus kann man bestätigen, daß Bao die Unterlagen gefälscht hat.« Das wäre eine Lösung. Keine perfekte Lösung, aber man konnte nie allen gerecht werden. Eventuell würde Sui letzten Endes sogar als Held gelten, der im Zuge seiner Ermittlungen von den korrupten Verdächtigen umgebracht worden war.
    »Nur eine Hutmacherin«, flüsterte Xu und starrte ins Leere.
    »Was weiß eine Hutmacherin schon davon, wie man Kohle abbaut?« Sie runzelte erneut die Stirn und seufzte, dann. »Ich könnte sie nicht einfach freilassen. Jedermann weiß, daß sie gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen hat. Es wäre höchstens die Verlegung in ein lao jiao Lager denkbar. Für ein paar Monate.«
    Shan nickte. Die Anklägerin verzog das Gesicht und nickte dann ebenfalls, als wolle sie eine Abmachung besiegeln.
    Schweigend fegte sie weiter. Sie schien kleiner geworden zu sein.
    »Falls ich ein Schreiben des Großen Vorsitzenden hätte, einen Brief, in dem er mich für den Mord an Mönchen lobt.«, sagte Shan nach einem Moment. »Ich glaube, ich weiß, was ich damit tun würde.«
    Sie blieb stehen und sah ihn wieder an.
    »Ich würde eine Antwort auf die Rückseite schreiben«, erklärte er. »Vielleicht würde ich schreiben, daß es falsch war, was ich getan habe, und daß auch du, Genosse Vorsitzender, kein Recht hattest, den Mord an Mönchen gutzuheißen. Und vielleicht würde ich eines Nachts allein zu dem Ort gehen, wo heute der Tibeter gestorben ist, und dort ein Feuer aus duftendem Holz entzünden. Dann würde ich den Brief verbrennen, um ihn dem Vorsitzenden zu schicken, und ich würde zuschauen, wie die Asche sich in den Himmel erhebt.«
    Xu blickte auf den Boden zu Shans Füßen. »Es war nicht Kajus Schuld«, sagte sie mit hohler Stimme. Dann nahm sie den Besen und fegte weiter. »Da ist ein kleiner Koffer«, fügte sie kurz darauf hinzu. »Wir haben ihn fertig gepackt in Rongqis Zimmer gefunden, als hätte der General ihn nach Urumchi mitnehmen wollen.« Sie deutete auf die Bank, die auf dem Hügel oberhalb des Friedhofs stand. Dann sagte sie nichts mehr.
    Als Shan sich verabschiedete, nickte sie nur, ohne den Kopf zu heben. Oben auf dem Hügel blieb er stehen und schaute auf ihre kleine, gebeugte Gestalt zwischen den verwahrlosten Gräbern hinunter, wie sie sich vor dem Hintergrund der leeren Wüste langsam durch die öde, endlose Landschaft bewegte.
    Er fand den ledernen Koffer neben der Bank und öffnete ihn. Es handelte sich um das elegante schwarze Modell eines italienischen Herstellers. Darin entdeckte Shan die Trophäen des Generals, die Beweise, die Rongqi für die Auszahlung der Kopfgelder verlangt hatte. Vier kleine, staubige, zerlumpte Schuhe.
    Die Maos fuhren nach Süden, durch Yutian und auf die Hauptstraße, die ins Gebirge führte. Marco erzählte Sophie von der langen Reise, die sie unternehmen würden, und schwärmte Shan vor, auf welche Weise sie all den von ihnen gefangenen Fisch wohl zubereiten könnten. Dann hielten sie unvermittelt hinter dem ersten Lastwagen an, der am Straßenrand stand. Jowa und Fat Mao sprachen mit einer Gruppe berittener Uiguren. Die Reiter berichteten, daß ihnen unterwegs einige freigelassene Häftlinge des Lagers Volksruhm begegnet seien. Am Abend würden die uigurischen Familien in den Hügellagern die Heimkehr ihrer Angehörigen feiern. Die kasachischen Gefangenen wollten unterdessen so schnell wie möglich ihre Clans erreichen, bevor diese durch das Armutsprogramm in alle Himmelsrichtungen verstreut wären, erklärte Fat Mao. Die Maos würden dafür sorgen, daß die Leute ihre Familien fanden.
    Ein alter Mann aus dem Reislager sei zu Fuß auf der Straße ins Gebirge unterwegs gewesen, fügte einer der Reiter hinzu. Jemand habe angeboten, ihn im Wagen mitzunehmen, aber der Alte habe abgelehnt, weil er angeblich lieber einen Schmetterling beobachten wollte.
    Jowa lief an seine Seite. »Wo genau war das?« drängte der purba .
    Der Uigure schüttelte grinsend den Kopf, stellte sich dann in den Steigbügeln auf und streckte den Arm aus. Auf einem Bergrücken konnte man in etwa einem Kilometer Entfernung eine winzige Gestalt erkennen, die eilig durch das hohe braune Gras marschierte.
    »Verrückter alter.«, setzte der Uigure

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