Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Baby vom Deich

Das Baby vom Deich

Titel: Das Baby vom Deich
Autoren: Angelika Friedemann
Vom Netzwerk:
leuchtet das Gebiet ein bisschen ab, sonst dreht sie noch völlig durch."
Er griff nach einem Shirt, fluchte dabei. "Wegen einer Spinnerin hat man nicht einmal abends Ruhe." Er zog die Turnschuhe an, steckte Kleinig- keiten in die Hosentasche, schnappte seinen Autoschlüssel, den Leder- blousons und war wenig später auf dem Weg zum Deich Richtung Simonsberg.
Diese Frau war abends spazieren gegangen und hatte angeblich Baby- geschrei gehört.
Er parkte Minuten darauf neben dem Streifenwagen und einem gelben Beetle mit Hamburger Kennzeichen. Schien ihr Auto zu sein. Gewohn- heitsgemäß ließ er den Wagen überprüfen. Er gehörte einem Martin Helmholz-Schiller. Schien seine Frau zu sein.
Er sprang mit einem Satz über den Holzzaun und eilte über die Wiese den Deich hinauf, sah in der Ferne das Leuchten von zwei Taschenlampen. Langsamer schlenderte er zu den kaum erkennbaren drei Personen. Er lauschte, aber außer dem leisen Plätschern der Wellen auf die Steine war nichts zu hören. Keine Möwe schrie, kein Schaf blökte, kein Hund bellte irgendwo. Nichts!
"Habt ihr etwas gefunden?", rief er den zwei Polizisten von Weitem zu, da er das Theater nur fix beenden wollte.
"Moin, nichts. Nichts zu sehen - nichts zu hören."
"War wohl der Wind", erklärte er leicht gereizt. Fast im gleichen Moment blieb er wie angewurzelt stehen, da die Frau erblickte. Es war die Unbekannte.
"Das ist Hauptkommissar Klaasen - Frau Schiller. Sie hat aus der Richtung das Schreien eines Babys gehört", erklärte Martin, zog dabei die Stirn kraus.
Er räusperte sich. "Haben Sie jemand gesehen, Frau Schiller?"
"Nein, aber es war da, obwohl mich alle für bescheuert halten. Es war kein Schaf, keine Möwe, kein schreiender Fisch, noch Wasser oder Wind. Es war ein menschliches Baby."
"Waren Sie öfter am Wasser?"
"Nein, heute das erste Mal." Ihre Stimme klang melodisch, weich, feminin und passte zu ihr, dachte er. Schade, dass es dunkel war und er ihr Gesicht nicht genauer sehen konnte.
Er strich durch seine braunen Haare. Schien eine von der sturen Sorte zu sein.
"Wissen Sie, es kommt zuweilen vor, dass der Wind säuselt und den Menschen etwas vorgaukelt. In alter Zeit nannte man es das Heulen der Kinder, die man angeblich beim Deichbau lebendig vergrub."
"Gruselig! Es war ein Baby und das klang sehr lebendig!", beharrte sie bereits ärgerlich und ihre Stimme dröhnte schriller in seinen Ohren. Er hasste keifende Frauen.
"Ich bin am Wasser aufgewachsen, kenne die Töne, wenn es rau und wütend ist, oder sanft dahinplätschert, so wie jetzt. Ich weiß ja, kann verstehen, dass Sie mich für völlig verblödet halten, weil ich auch erst dachte, ich täusche mich. Es ... war ... ein ... Baby."
So kam er bei ihr nicht weiter. Sie würde die ganze Nacht ausharren und die Stadt in Atem halten, wenn sie nicht suchten.
Er wandte sich ab, griff zum Handy. "Eike, Gunnar kommt bitte zum Simonsberg. Wir suchen ein Baby." "Ja, ein Baby." "Bringt mir bitte eine Taschenlampe mit." "Bis gleich."
"Martin, teilt euch auf, einer auf der Wasserseite, der andere auf der Landseite. Ich warte solange mit Frau Schiller hier."
"Dumm Tüch", grummelte Olaf leise. "Dat is en Stück ut de Dullkist."
"Wat mut, dat mut."
"Wohnen Sie in Husum?", erkundigte er sich, als die Männer langsam, die Wiese ableuchtend, davon schritten.
"Nein, ich bin nur für einige Tage in der Stadt."
"Wo wohnen Sie sonst?"
"In Hamburg."
"Warum sind Sie hier noch so spät unterwegs?"
"Ich liebe das Wasser, da ich dort entspannen, nachdenken kann. Ich wollte etwas laufen, die Ruhe genießen und überlegen."
"Wie lange sind Sie gelaufen, als Sie das Geräusch hörten?"
"Keine Ahnung! Bis etwa 50 Meter von hier entfernt? Ich saß auf der Wiese, schaute den Schafen und dem Wasser zu, träumte so vor mich hin, als ich das Baby schreien hörte. Erst dachte ich, auf der anderen Seite geht jemand spazieren, aber als das Schreien nicht aufhörte, sich das Geräusch nicht zu bewegen schien, bin ich hochgelaufen, aber da war niemand zu sehen. Ich bin etwa 50 Meter in die Richtung gelaufen, von wo das Schreien kam. Plötzlich war Stille. Ich bin ein Stück weitergerannt, aber fand nichts. Nach einer Weile habe ich bei der Polizei angerufen, da es bereits Dunkel war." Sie trat an die Seite und setzte sich. "Glauben Sie mir, ich bin nicht verrückt. Es war ein Baby, das da geschrien hat."
"Haben Sie Kinder?"
"Nein!" Plötzlich lachte sie leise. Ein warmes Lachen. "Ich habe kein Kind verloren, noch eine übergroße
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher