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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Helmbrechts aktuelle Artikulationsfähigkeit bezog. Wer zu diesem Zeitpunkt den Nerv für irgendwelche Orchesteraufnahmen hatte, musste der Musik jedenfalls mit Leib und Seele verfallen sein.
    »Und was machen Sie jetzt?«, fragte er ins Handy. »Sie müssen ins Krank …«
    » Geh nicht in Krankenhaus! Muss … erledigen! Sie! Anrufen, wenn nächster Code!«
    »Sie können doch nicht …«
    Ein Knacken in der Leitung. Der Professor hatte das Gespräch beendet.
    Mit einem Knurren drückte Amadeo ein paar Tasten, um Helmbrecht zurückzurufen. Er ließ es klingeln, dreimal, viermal …
    » Hinfliegen! Lösen! Anrufen! «
    »Professor!«

    Ein langgezogener Piepton: der Anrufbeantworter. Helmbrecht hatte den Rückruf überhaupt nicht angenommen. Doch wenigstens war er noch imstande gewesen, das Gerät neu zu besprechen.
    Unterdrückt vor sich hin schimpfend suchte sich Amadeo einen Weg in Richtung Hangar. Genauso gut hätte er aus Leibeskräften gotteslästerliche Flüche ausstoßen können. Gehört hätte ihn sowieso niemand - donnernd und röhrend hob die Transallmaschine ab.
    Mit zusammengekniffenen Lidern spähte Amadeo in die dunkle Höhlung der Flugzeughalle. Nicht allein um von Rebecca und ihren Begleitern Abschied zu nehmen, war er hierhergekommen. Ein Blick ins Internet hatte gezeigt, dass die Linienflüge von Fiumicino und Ciampino jetzt fast vollständig eingestellt waren. Unter normalen Umständen wäre seine Reise an dieser Stelle zu Ende gewesen - es sei denn, er hätte sich mit seinem Fiat auf den Weg nach London machen wollen, und das hätte Zeit gekostet und Menschenleben mit jeder verlorenen Minute. Was genau Rebecca unternommen hatte, hatte er nicht mehr mitbekommen. Er wusste lediglich, dass man im hässlichen Wellblechschuppen des Hangars auf ihn warten würde, sobald er sein Ziel kannte.
    Nun, jetzt kannte er es. Die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs.
    Mit dem Handrücken wischte er sich den Regen vom Gesicht. Da wartete tatsächlich jemand im Eingang der Flugzeughalle: eine dunkle Gestalt, eine … Amadeo kniff die Augen zusammen. Es lag nicht allein am Schatten: Die Gestalt war wirklich dunkel, schwarz gekleidet in eine Soutane, die bis auf die Schuhe reichte. Denselben mitternächtlichen Farbton besaßen auch Hals und Gesicht des Mannes, die aus einem schneeweißen Priesterkragen hervorsahen.

    » Commandante! « Amadeo blieb die Luft weg.
    Grinsend bleckte Bruder Duarte die Zähne - ein irgendwie verunsichernder Anblick in seinem dunklen Gesicht und vor dem Hintergrund der stockfinsteren Flugzeughalle.
    » Dottore Fanelli, wie schön, dass wir uns einmal wiedersehen!«, begrüßte ihn Rebeccas … Was auch immer der Mann sein mag, dachte Amadeo, rechte Hand des Papstes und Rebellenführer in Südamerika. »Wobei ich mich unter anderen Umständen noch mehr gefreut hätte«, ergänzte der Mann in der Soutane.
    Mechanisch ergriff der Restaurator seine ausgestreckte Hand - und zuckte unwillkürlich zusammen. Diese Pranke konnte noch ganz andere Dinge austeilen als Brot und Wein.
    »Was tun Sie hier?«, fragte er verwirrt.
    Den Blick, den Duarte ihm zuwarf, musste er mit Rebecca - und Alyssa - trainiert haben. Und wer weiß: Schließlich kannte der commandante beide Schwestern. Auch Alyssa. Jemand, der diejenigen im Stich gelassen hat, die sich auf sie verlassen haben. Und die deswegen gestorben sind. Ob diese Leute unter Duartes Kommando gestanden hatten?
    Der commandante stützte sich gegen die Metallwand. Nein, er stützte sich nicht. Seine Hand schien etwas zu suchen.
    Eine fast unmerkliche Bewegung, und unvermittelt war der Hangar in gleißendes Licht getaucht, eine funktionelle Konstruktion aus Wellblech und Beton von der Größe eines kleinen Fußballfelds, und sie war beinahe leer. Beinahe.
    »Wenn ich vorstellen darf?« Duarte machte eine einladende Handbewegung. »Che.«
    » Che? «
    Im ersten Moment war sich Amadeo nicht mal sicher, ob er und Che sich nicht womöglich schon kannten, einander
zumindest einmal begegnet waren: hier, in Practica di Mare, anlässlich einer Flugschau mit historischen Maschinen.
    Che war ein winziges Propellerflugzeug, bis zum Heck keine zehn Meter lang, mochte von Flügelspitze zu Flügelspitze aber etwas mehr messen. Der Flieger war liebevoll in Tarnfarben lackiert, und dort, wo sich auf dem Heckruder normalerweise die Insignien der Fluglinie befunden hätten, prangte das Porträt des Mannes, dem er vermutlich seinen Namen verdankte: Ernesto »Che«

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