Das Babylon-Virus
Fiat abklappern, um das Mittelchen zu verteilen. Doch er hatte eher an die großen internationalen Hilfsorganisationen gedacht: Helmbrecht hatte Kontakte zur UNESCO, und … Amadeo schüttelte den Kopf. Beim internationalen Einsatz in Afghanistan war mit Sicherheit einiges danebengegangen, doch natürlich gab es keinen Zweifel, dass dieser Einsatz gut gemeint war, dass anständige Menschen und anständige Ziele im Hintergrund standen. Wenn das Mittel erst einmal gefunden war, würden sie die Regierungen der westlichen Welt brauchen, um es rund um den Globus an den Mann, die Frau, das Kind zu bringen.
Und er spürte, dass Rebecca gut aufgehoben war an Alyssas Seite, ganz gleich, was genau damals in Südamerika passiert war. Es ließ sich nicht leugnen, dass ihr Geheimdienstpräparat tatsächlich zu Wunderdingen in der Lage war. Seit einer Viertelstunde war kein Nieser mehr zu hören.
Widerstrebend nickte er, mit finsterer Miene. Es konnte nicht schaden, wenn jemand diesen Leuten auf die Finger sah, während Amadeo selbst weiter den verschlüsselten Texten der Gelehrten folgte. Gedanklich hatte er bereits eine Mail an den Professor formuliert mit der Bitte, den Kontakt
zu einem Händel-Experten herzustellen. Die Lage des babylonischen Verstecks würde deutlicher werden, je weiter er auf der Reise in die Vergangenheit vorankam. Die beiden Frauen würden seine Angaben dann vor Ort überprüfen - wenn Alyssa nicht ohnehin noch sehr viel mehr wusste als sie zugab.
Skeptisch betrachtete er die blonde Frau, bei der nicht allein die Pistole waffenscheinpflichtig war, sondern die gesamte Erscheinung, angefangen mit den Lackhandschuhen bis zum Schlitz im Abendkleid, der knapp unterhalb vom Schlüpfergummi endete. Wenn er sie jetzt so von oben bis unten ansah - die Schwestern hatten dann doch eine gewaltige Ähnlichkeit. Es war derselbe schlanke und geschmeidige, in Wahrheit aber bis in den kleinen Finger durchtrainierte Körper. Derselbe Blick, bei dem einem einfach heiß und kalt werden konnte, wenn man nur …
In genau diesem Moment stellte er fest, dass die Blicke beider Frauen gerade sehr aufmerksam auf ihm ruhten.
»Jaaaaaaa …« Er hüstelte. »Also der Text. Wo waren wir stehengeblieben?« Rasch zog er die Partitur zu sich heran, beugte das Gesicht aufmerksam über die Zeilen. »Ah, hier haben wir es. … carved in the shoulders of the mount/ estranged, never to be found. - Und dann …«
Amadeo erbleichte.
» And lo! «, flüsterte er.» Behold that stony arc / that leadeth t’ward an ancient dark. «
Uralte Dunkelheit.
Ein unerträgliches Kribbeln überfiel ihn. Sein Traum! Der zweite Traum, der erst wenige Stunden zurücklag! Er hatte eine große, gewölbte Halle durchschritten, in der die Hand Gottes unleserliche Zeichen an die Wand geschrieben hatte - und zu seinen Füßen war eine Finsternis erwacht, flüsternd und schillernd.
Und nun das: Schaut her auf jenen Bogen aus Stein,/ der einer uralten Finsternis entgegenführt.
»Das muss ein Zufall sein.« Er erkannte seine Stimme selbst nicht wieder. Paranoia, mehr nicht. Uralte Finsternis - na und? Die Babylonier hatten ihr Geheimnis verborgen, und wo sonst sollte man etwas mehrere Jahrtausende lang verbergen als an einem dunklen Ort unter der Erde? In einer Höhle vielleicht oder in einem gemauerten Keller, den man durch einen steinernen Torbogen betrat.
Alyssa musterte ihn aus zusammengekniffenen Lidern. Nein, dachte er entschlossen. Von seinen Träumen würde sie nichts erfahren. Wer die Träume eines Menschen kannte, gewann Macht über ihn. Die Mythologie der Altvorderen war voll mit solchen Geschichten, und um nichts in der Welt würde er sich Rebeccas finster-blondiertem Zwilling ausliefern.
»Bögen aus Stein gibt es bis zum Abwinken in der Gegend«, sagte Alyssa.
»Balkh, einer der Vororte von Masar, ist ein wichtiger Wallfahrtsort mit der Moschee, in der Ali beigesetzt wurde, der Schwiegersohn des Propheten Mohammed.«
»Der ist noch an ein paar anderen Orten beigesetzt«, murmelte Amadeo. »Seltsamerweise gelten sie alle als echt. Angeblich sucht er sie reihum auf.«
Alyssa winkte ab. »Die Ruinen, die für uns in Frage kommen, sind noch wesentlich älter, und das Gelände ist voll davon. Wenn wir einen Bogen aus Stein suchen, haben wir freie Auswahl.«
»Nur dass uns die nichts hilft«, sagte Amadeo. »Im Gegenteil. Irgendein Steinbogen ist auch nicht eindeutiger als irgendwelche Berge im Osten.«
»Und auf Verdacht losbuddeln ist auch
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