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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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haben«, murmelte Amadeo und sah, wie Duarte nickte.

    »Jemand, den man kennt?«, erkundigte sich der Kirchenmann.
    »Den man…« Amadeo stutzte. »Helmbrecht hat mir den Namen gar nicht gesagt.« Das kam ihm eben erst zu Bewusstsein: Er hatte lediglich die Adresse des Studios vor den Toren Londons. »Aber der Mann muss eine echte Koryphäe sein«, sagte er nachdenklich. »Barockmusik ist eine Wissenschaft für sich. Da kommt man als Laie gar nicht mit. Und Händel galt als der Größte der Großen damals.«
    »Ich bevorzuge Bach.«
    »Das tun heute viele Leute«, murmelte Amadeo. »Aber der konnte es im Bekanntheitsgrad zu seinen Lebzeiten nicht mit Händel aufnehmen. Dass gerade der als größter Geist seiner Epoche ausgewählt wurde, ist nachvollziehbar. Wer auch immer es war, der diese Wahl getroffen hat.«
    »Haben Sie keine Vermutung?«
    Amadeo hob die Schultern. »Im Grunde ist es dasselbe wie bei Einstein und Goethe: Wir wissen auch bei Händel nicht, ob ihn der Code seines Vorgängers direkt erreicht hat oder ob er durch ein halbes Dutzend Hände ging. Galilei war lange tot, Kepler sowieso. Monteverdi, Rembrandt, Leibniz… wir wissen es nicht. Es kann jemand sein, den wir nicht mal kennen.«
    »Aber Sie sind sich sicher, dass es einen Vorläufer gab?« Duarte korrigierte den Kurs.
    Amadeo spürte, wie der Flieger eine leichte Kurve beschrieb. Gegen seinen Willen hatte sein Blick sich nun doch von den Instrumenten gelöst. Die dunklen Wälder Umbriens glitten unter ihnen dahin, die dünn besiedelte Landschaft nördlich von Rom. In der dunstigen Ferne links von ihnen dehnte sich die glitzernde Fläche des Meeres. Ein eindrucksvoller Anblick, wild und schön auf seine Weise, noch kaum berührt von der Hand des Menschen. Älter als die Menschheit,
dachte Amadeo. Das alles war schon hier gewesen, lange bevor die Menschheit auf den Plan getreten war, und es würde noch hier sein, wenn sie kaum noch eine Erinnerung war.
    Und das konnte sehr, sehr schnell gehen, wenn Amadeo Fanelli versagte.
    »Es muss einen Vorläufer geben«, sagte er. »Es sei denn, wir jagen einem Phantom nach, und dann ist sowieso alles gleichgültig. Außerdem ist da Händels Anschreiben. Er hält es für ein Spiel, wie Goethe, wie Einstein. Wir sollten doch unbedingt mitmachen bei dem kurtzweyligen Späßken .«
    »Er schreibt auf Deutsch?«
    »Im Anschreiben, ja«, murmelte Amadeo. »Er war Deutscher von Geburt, wenn er den größten Teil seines Erwachsenenlebens auch rund um London verbracht hat. Wahrscheinlich müssten wir sowieso nach England auf der Suche nach seinem Versteck.«

Docklands, London, England
    Skeptisch betrachtete Amadeo das Gebäude, das sich hinter Helmbrechts Adresse verbarg. Der Adresse jedenfalls, die er aus dem Genuschel des Professors erlauscht zu haben glaubte. Unübersehbar handelte es sich um eine ehemalige Lagerhalle, und sie befand sich am Rande der Londoner Docklands - allerdings nicht in jenem Teil des ehemaligen Hafenviertels, der immer mal wieder als besonders »in« galt. Es sah zwar nicht eigentlich schmuddelig aus hier draußen, nur eben einfach …
    »Sieht ziemlich tot aus hier«, brummte Duarte. »Sie sind sicher, dass wir richtig sind?«
    Der dunkelhäutige Mann nickte über die Schulter auf die
verlassenen Kaianlagen. Es ging auf Mittag zu; ein kalter, aber sonniger Tag, wie er nicht untypischer hätte sein können für London im November. Amadeo wäre nicht überrascht gewesen, wenn der Wind einen dieser trockenen Büsche vorbeigetrieben hätte, die man manchmal in Wildwestfilmen zu sehen bekam - doch dazu fehlte der Wind.
    Er schaute auf seine Notizen. »Ich bin mir sicher, dass das stimmt«, sagte er leise, musterte eine rostschutzlackierte Metalltür am Ende einer kurzen Holzstiege: der einzige Zugang zu der aus Ziegeln aufgemauerten Halle, zumindest von der Straße aus. Weder war ein Türschild zu sehen noch sonst irgendeine Beschriftung. Nicht einmal eine Klingel gab es.
    Zögernd setzte der Restaurator einen Fuß auf die unterste Stufe. Sie trug sein Gewicht. Mit drei Schritten war er an der Tür, gefolgt von Duarte, unter dessen Soutane eine verräterische Ausbuchtung zu erkennen war. Nein, Amadeo hatte nicht ernsthaft angenommen, dass der commandante unbewaffnet gewesen wäre. Wenn er auf die Stimme lauschte, die aus seinem Innern sprach - aus seinem grollenden Magen, genauer gesagt -, war er nicht einmal unglücklich darüber.
    Er drückte die Klinke nieder. Das Knarren, auf das er sich

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