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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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bereits eingestellt hatte, blieb aus. Die Tür öffnete sich lautlos.
    Amadeo blieb die Spucke weg. Hinter der Tür begann eine andere Welt: ein langgezogener Korridor, indirekte Beleuchtung, so clever montiert, dass man auf der Stelle vergaß, dass keine Fenster nach draußen existierten. Zu beiden Seiten zweigten Türen ab, in den Wandzwischenräumen hingen metallisch glitzernde Devotionalien: goldene Schallplatten, Auszeichnungen der phonographischen Industrie. Am entgegengesetzten Ende gab es einen offenen Durchgang, hinter dem undeutlich mehrere Personen zu erkennen waren.
Sie beugten sich über eine Art Instrumentenpult, das mindestens dreimal so breit war wie das Cockpit in Duartes Messerschmitt. Und alles war erfüllt vom Klang einer Stimme aus dem Niemandsland zwischen Bass und Bariton, die sich grollend und irgendwie knödelig an den Wänden des langgestreckten Korridors brach:
    Oh my Lord. Pause. Oh my LO-ho-ho-hord. Pause. Dann wieder von vorn. Oh my Lord. Pause. Oh my LO-ho-ho-hord. Und noch einmal vom Anfang.
    » Das ist Händel?« Fragend hob der commandante die Augenbrauen.
    Stumm schüttelte Amadeo den Kopf. Auf jeden Fall war es Musik, doch sie hatte weder mit Händel zu tun noch überhaupt mit der barocken Art des Musizierens - es sei denn, Professor Helmbrechts Experte war gegenwärtig mit einem neuartigen Barock-Heavy Metal-Crossover befasst.
    Mit gemischten Gefühlen folgte Amadeo dem Korridor. Die Gestalten an dem gigantischen Mischpult hatten ihn und seinen Begleiter noch nicht bemerkt. Kaum verwunderlich bei dem Höllenlärm. So klang es tatsächlich, dachte Amadeo: die Schreie einer gepeinigten Seele, die aus dem tiefsten der sieben Höllenkreise emporhallten, den Schöpfer in der Anrufung seines Namens zu verfluchen schienen: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Oh my LO-ho-ho-hord!
    Rebecca wäre begeistert gewesen, jedenfalls musikalisch.
    Oh my Lo…
    » Damn! « Das war eine andere Stimme. Sie war mindestens genauso laut wie der knödelige Bariton, der mitten im Wort abbrach, wurde aber anders als dieser nicht durch höllenhaft elektronische Halleffekte verstärkt. »God’s sake, Dorian! You shall sound like on the brink of despair, not as if you’d got a chainsaw in your ass!«

    Eine der Gestalten löste sich vom Mischpult und baute sich vor einer vom Boden bis zur Decke verglasten Trennwand auf. Der Sänger, der sich auf der anderen Seite befinden musste, war außerhalb von Amadeos Blickfeld, und auch den vor sich hin schimpfenden Menschen sah er nur von hinten: eine Art Rumpelstilzchen in ausgeblichener Rockerkluft und mit strähniger schwarzer Mähne.
    »Wahrscheinlich sind hier mehrere Studios untergebracht«, wandte Amadeo sich mit gedämpfter Stimme an Duarte. »Irgendwo muss es eine Treppe geben. Lassen Sie uns verschwinden, bevor wir jemanden…«
    »God’s sake! Emotion! Real emotion! Try to sound black - like soul, like gospel, like…«
    Rumpelstilzchen fuhr herum - und erstarrte. »God’s sake!«, flüsterte der Mann noch einmal. Seine Augen hefteten sich auf Amadeos dunkelhäutigen Begleiter. »That’s what I call a twist of fate.«
     
    »Bitte, Sie müssen mich Stevie rufen. Und wir müssen deutsch sprechen! Ich begrüße jede Gelegenheit, mich in Ihrer Sprache zu drillen!«
    »Ich bin kein…«, versuchte Amadeo es zum dritten oder vierten Mal, doch Helmbrechts Experte hatte sich bereits abgewandt und ein Mikrofon zu sich herangezogen.
    »Together! Both of you! - Oh my Lord! «
    Die beiden Männer hinter der Glasscheibe nickten: Amadeos dunkelhäutiger Begleiter, dem der Restaurator gerade nicht in die Augen sehen mochte - und Dorian Grave, Sänger der Gothic-Rockband Dead Art , der mit einem Netz von Narben im leichenblass geschminkten Gesicht noch eine Spur unheimlicher aussah als Amadeos Gegenüber. Sein Gegenüber, das dem Restaurator helfen sollte, das Geheimnis einer an die dreihundert Jahre alten Barockkomposition zu
lüften: Steven Barnaby Styx, Songschreiber, Bassist und Produzent der schwarzberockten Combo. Produzent erst neuerdings, wie der hyperaktiv wirkende Musiker ihm zwischen Tür und Angel anvertraut hatte.
    Oh my Lord! , hallte es nun zweistimmig aus mannshohen Boxen. Oh my LO-ho-ho-hord!
    »Great!«, sprach Styx in sein Mikrofon. »Now you must practice.« Er drückte einen Knopf auf seinem Mischpult, wandte sich zu Amadeo um. »Ich lasse sie drillen für eine Weile, denke ich«, murmelte er. »Es klingt verzweifelter, wenn sie sind heiser

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