Das Babylon-Virus
Götzentempel bezeichnet hat. Als eine Kirche, in der nur einer anzubeten war - er selbst. Der größte Geist auf Erden. Doch, der Mann gefällt mir. - Wollen wir?« Fragend sah er Amadeo an.
»Wollen wir … was?« Hundert Meter entfernt erhob sich das Kastell. Eine doppelte Freitreppe führte hinauf zum Portal, dessen Formen einem griechischen Tempel nachempfunden waren, in den sich ein gotischer Spitzbogen einfügte, der für mittelalterliche Kirchenbauten so typisch war: christliche Frömmigkeit und uraltes Heidentum, beides in einem. Wie ein Symbol für die Widersprüchlichkeit des Kaisers.
»Rein!«, schlug Görlitz vor. »Du oder ich, mein Lieber, schon vergessen? Keine Sorge, meine Männer werden dich erst erschießen, wenn ich die Lösung habe.«
Aufs Geratewohl schlenderte er los. Seine Totschläger folgten ihm auf dem Fuße. Wie gelähmt starrte Amadeo ihnen hinterher. »Dieser Mann ist verrückt«, flüsterte er.
Der commandante nickte. »Genie, dottore Fanelli - und Wahnsinn. Zwei Seiten ein und derselben Medaille.«
Unverwandt blickte auch er Görlitz und seinen Begleitern nach, die bereits die Freitreppen emporkletterten, dem Eingang des gewaltigen steinernen Achtecks entgegen. Plötzlich war sich Amadeo nicht mehr so sicher, wen Duarte mit seinen Worten nun eigentlich gemeint hatte: Görlitz - oder das Kastell und seinen Erbauer.
Und ob er nicht womöglich ein Stück weit recht hatte.
Der Stuhl des Pharao, Hindukusch, Afghanistan
»Es ist eine Falle, Himmelhölleherrgott!« Fluchend setzte Oberst Merthes den Feldstecher ab. »Das ist dermaßen offensichtlich, dass man schon wieder ins Grübeln kommt, ob es wirklich eine Falle ist! - Können diese Leute mich für derart bescheuert halten?«
Der letzte Satz klingt tatsächlich wie eine Frage, dachte Rebecca. Vermutlich war es besser, sie nicht zu beantworten.
Die Rauchfahnen, die hinter dem Bergsattel aufstiegen, den man »Stuhl des Pharao« nannte, waren mit bloßem Auge zu erkennen. Es waren freundliche Rauchfahnen: heller Qualm, wie er von einem gemütlichen Lagerfeuer ausging, von afghanischem Hochlandbüffel am Spieß. Das Bild sah, nun, einladend aus.
Die Anhöhe selbst wirkte nicht übermäßig steil. Das zerklüftete Gestein bildete beinahe so etwas wie eine natürliche Treppe. Man musste kein Bergsteiger sein, um die Erhebung zu überwinden, aber eines stand fest: Für die Militärfahrzeuge war das Gelände unzugänglich.
»Kommandeur an Verband«, bellte Merthes in sein Funkgerät. »Alles bleibt im Wagen. Alles! Verstanden? Bestätigen! - Spähwagen: Hat endlich jemand geantwortet? Und ist Nachricht aus dem Camp da?«
Er lauschte auf die nach und nach eintreffenden Rückmeldungen. Der Spähwagen hatte keine Neuigkeiten. Die Aufständischen schwiegen nach wie vor, doch das war fast schon in den Hintergrund getreten.
Vor einer Stunde war die Verbindung zum Camp Marmal abgebrochen.
»Was zum Teufel treiben die im Lager?«, brummte Merthes. »Ich brauche Bilder von den verdammten Drohnen.«
»Und ich will wissen, was da drüben los ist! Da drüben - hinter dem Berg!« Alyssa war neben ihrer Schwester durch die Luke des Beifahrerfensters geschlüpft. Über das gepanzerte Dach hinweg visierte sie den Oberst an. »Sie bleiben dabei? Sie weigern sich, Männer abzustellen, um uns …«
»Richtig erkannt, Goldkind! Ich habe die Anweisung bekommen, Sie beide mitzunehmen, und ich habe Sie mitgenommen. Und wissen Sie was? Heute ist Ihr Glückstag! Ich nehm Sie sogar wieder mit zurück. Aber ich denke nicht daran, das Leben auch nur eines meiner Soldaten aufs Spiel zu setzen, damit Sie sich eine Extrawurst braten und sich auf die Suche nach Ihrem kleinen Freund machen. Oder dass Sie Ihre vermaledeite Felswand begucken und damit die gesamte Mission in Gefahr bringen! Wir sind hier im Krieg! Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie das endlich zur Kenntnis nehmen würden!«
Aus blutunterlaufenen Augen starrte er Alyssa an. Er macht sich Sorgen, dachte Rebecca. Um das Camp, um seine Männer. Wahrscheinlich hat er schlicht und einfach Angst.
Außerdem hatte Merthes vor einer halben Stunde begonnen, sein Taschentuch für den eigentlich vorgesehenen Zweck zu nutzen.
Der Oberst hatte die Grippe.
Rebecca ließ den Blick über den Konvoi schweifen. Merthes hatte die Fahrzeuge am Ende der Schlucht versammelt, wichtige strategische Punkte auf halber Höhe aber mit den Fuchs-Panzern besetzt. Die Aufständischen würden im Fall der Fälle
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