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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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mir fern, ihn für den größten Geist unserer Zeit zu halten, aber …«
    »Es reicht schon aus, dass er das tut«, hauchte Amadeo.
    Er war unfähig, sich zu rühren. Jetzt war es deutlich. Die Geräusche wurden lauter, der Motorenlärm ließ sich von einem anderen Geräusch unterscheiden, dem Knirschen von Reifen auf einer Schotterfläche: der Parkplatz am Kassenhäuschen. Unter Garantie war dort heute niemand zur Arbeit erschienen, aber einen Steffen Görlitz, der in dieser Situation brav seinen Eintritt zahlte, konnte Amadeo sich sowieso nicht vorstellen - und die Absperrungen rund um die Burganlage waren kein echtes Hindernis.
    Görlitz. Ich werde schneller sein. Und dann wirst du sterben. Görlitz würde im Kastell auf ihn warten wie eine Spinne in ihrem Netz.
    Das Haus der Spinne , fuhr es Amadeo durch den Kopf. Doch nein, diese Formulierung führte zu einem anderen Ort, einem Ort in Afghanistan. Friedrichs Code funktionierte auf andere Weise, er musste mit der Acht zu tun haben, mit dem Morgenstern, den astronomischen und zahlensymbolischen Geheimnissen, denen die Gelehrten seines Hofes auf der Spur gewesen waren. Mit dem Rätsel von Castel del Monte selbst.
    Konnte Görlitz es bereits gelöst haben? Oder wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Amadeo selbst?
    Machte das einen Unterschied?
    Sie konnten umkehren, konnten versuchen, Che wieder flottzumachen. Aber dann hatten sie verloren. Dann würde Görlitz das Rätsel lösen, und Kaiser Friedrichs Depot würde ihm und Verholen in die Hände fallen - und mit dem Depot die gesamte weitere Fährte der babylonischen Überlieferung mitsamt dem Heilmittel an ihrem Ende.

    Amadeo holte Luft. »Kommen Sie! Wir müssen weiter!«
    Duarte hob die Augenbrauen, doch er nickte nur wortlos und schloss sich an, als Amadeo eilig weiterkletterte.
    Der Bewuchs trat zurück. Direkt vor ihnen eine niedrige Trockenmauer, und dahinter, fünfzig, sechzig Meter entfernt, wuchsen die zyklopischen Wälle des Kastells aus dem Schoß des Berges hervor. So sah es aus: als müssten die Fundamente in unendliche Tiefen reichen, als wäre das kaiserliche Monument Teil des Berges selbst. Wie eine magische Pflanze aus den tiefsten Gründen von Puglia, die aus dem Hügel emporspross.
    »Eine Blume aus Stein«, murmelte Amadeo. »Ob er das im Sinn gehabt hat?«
    »Der Kaiser liebte Blumen?«
    »Er hat sich mit allem Möglichen beschäftigt«, sagte Amadeo nachdenklich. »Astronomie, Dichtkunst, Mathematik, Zoologie - seine Falken. Botanik sicher auch. Aber die Blumen … Man hatte ihm geweissagt, er würde su b fiore sterben - unter der Blume. Deshalb hat er angeblich nie einen Fuß nach Florenz gesetzt, Firenze auf Italienisch. - Am Ende starb er dann auf Castel Fiorentino , ein Stück nördlich von hier.«
    Er hielt inne. Das Bild in seinem Kopf, das Bild, wie der Code funktionieren konnte - möglicherweise: Es begann deutlicher zu werden. Doch es gab nur einen Ort, an dem er den noch immer undeutlichen Gedanken überprüfen konnte, und dieser Ort erhob sich unmittelbar vor ihnen.
    Der Restaurator schüttelte den Kopf, verharrte einen Moment, musste sich orientieren.
    Die Begrenzungsmauer war kaum hüfthoch - kein Hindernis, wenn Duarte seine Soutane ein wenig lüpfte. Der Parkplatz befand sich links vor ihnen, unsichtbar hinter der Kuppe des Hügels. Das Brummen des Motors war längst
verstummt. Wenn sie sich rechts hielten, auf das Kastell zu, konnten sie die Mauern als Deckung nutzen. Görlitz und seine Männer würden sie nicht sehen. Doch was war damit gewonnen? Sie befanden sich an der Rückseite der Festung. Kaiser Friedrich hatte zwar an einen Hintereingang gedacht, doch der war heutzutage ständig verschlossen.
    »Kommen Sie«, murmelte Amadeo. »Mit etwas Glück sind wir schneller als sie. Vom Parkplatz aus müssen sie noch ein paar hundert Meter laufen.«
    Zweihundert maximal, schätzte er.
    Mit einem Satz war er über die Mauer hinweg. Niedriges Buschwerk schirmte ihn gegen die Richtung ab, aus der Görlitz und seine Schergen sich nähern mussten. Wenn es tatsächlich Görlitz war.
    Geduckt schlüpfte Amadeo zwischen den Büschen hindurch, wandte sich nach links, zum Hauptportal hin. Ein geschotterter Fahrweg führte einmal um das Bauwerk herum, gesäumt von einer geschwungenen Reihe von Pinien mit mächtigen Kronen - und bleistiftdünnen Stämmchen, die keine Deckung mehr boten.
    Duarte war direkt hinter ihm. Aus dem Augenwinkel sah der Restaurator, dass der commandante seine

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