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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Er deutete auf die Wand geradeaus. »Mittendurch. Direkt Richtung Innenhof: ein Tor hinter dem anderen, gesichert durch Fallgatter.«
    Duarte hatte automatisch den Kopf in den Nacken gelegt. »Und was ist das da oben?« Aus den Schatten des Torbogens funkelte bösartig eine lange Reihe eiserner Spitzen.
    »Ein Fallgatter«, bestätigte Amadeo. »Aber eben nur zusätzlich. Und auch kein Original aus der Zeit des Kaisers.« Mit langsamen Schritten trat er in den Nebenraum. »Sämtliche Gemächer haben denselben trapezförmigen Grundriss: siebzehn Meter lang zur Außenmauer hin, gegenüber, Richtung Innenhof, nur noch elf Meter. In den meisten von ihnen gibt es mehrere Türen … zu den Nebenräumen, zum Hof oder zu den Türmen. Acht Räume auf der unteren Ebene und noch einmal acht im ersten Stock. Dabei gibt es nur eine einzige Sackgasse.« Er deutete zur Decke. »Der Raum direkt über uns. Einige Forscher halten ihn deshalb für den Thronsaal - andere sind der Meinung, er wäre der Kerker gewesen.«
    »Das kann man nicht herausfinden?«
    Amadeo hob die Schultern. »Beide Seiten haben dieselben Argumente: Man kommt umständlich rein und umständlich wieder raus. Noch so eine Sache, um die man sich heute den Schädel einschlägt. Wissenschaftlich natürlich, mit Bildbänden voller Planskizzen und Bauaufnahmen.«

    »Schmerzhaft genug, wenn es richtig dicke Bände sind«, murmelte der commandante . Über Amadeos Schulter lugte er in den achteckigen Innenhof. Sie sahen eben noch den Rücken eines von Görlitz’ Gorillas, der quer gegenüber in einem neuen Portal verschwand. »Denken Sie, Ihr verehrter Exkollege hat einen Plan?«, fragte Duarte leise. »Wie der Code funktioniert?«
    »Wenn wir plötzlich einen Pistolenlauf an der Schläfe haben, wissen wir’s«, murmelte Amadeo.
    »Und haben Sie einen? Einen Plan?«
    Amadeo war schon in den Hof hinausgetreten. Von oben, aus der Messerschmitt, hatte er an einen Brunnenschacht denken müssen. Wenn man hier unten stand, verstärkte sich dieser Eindruck noch. Der Himmel über Puglia war ein leicht verzerrtes Oktogon, die Kanten wie mit der Schere abgeschnitten.
    »Der achtstrahlige Morgenstern, achtmal im Text verborgen.« Nach wie vor sprach er leise. Von ihren Gegnern war nichts mehr zu sehen - und nun war auch nichts mehr zu hören. Sperrte Görlitz seine Lauscher gerade ganz weit auf, oder ließ sein Ego das nicht zu? Möglichkeit zwei, dachte Amadeo. Görlitz wollte ihn schlagen, aber auf seine eigene, perverse Weise würde er alles dafür tun, dass es fair dabei zuging. »Die Fährte, die uns hierhergeführt hat, hat Friedrich mit der Astrologie gelegt«, sagte Amadeo leise. »Ich bin mir sicher, dass dort der Schlüssel zu suchen ist. - Astrologie oder Astronomie, das unterschied man damals nicht. Friedrich war von beidem besessen: vom Lauf der Gestirne und von den komplizierten Mechanismen, mit denen man angeblich die Zukunft aus ihnen lesen konnte. Michael Scotus, sein Hofastrologe, hat ihm die exakte Entfernung zwischen dem Himmel und dem Fußboden seines Thronsaals ausrechnen müssen - und das gleich mehrfach.«

    »Einmal hat nicht gereicht?«
    Amadeo schüttelte den Kopf. »Einmal hat nicht gereicht, weil Friedrich den Fußboden zwischendurch ein paar Meter tiefer legen ließ, ohne dass Scotus das mitbekam. Bei der nächsten Messung kriegte der dann tatsächlich ein bisschen mehr raus.«
    »Und das glauben Sie?«
    Amadeo senkte den Kopf. Einen Moment lang war er wie blind nach den azurblauen Frequenzen des apulischen Nachmittagshimmels. »Der Kaiser hat es jedenfalls geglaubt, und es gibt Hinweise, dass auch in der Architektur von Castel del Monte astronomische Einflüsse eine Rolle spielen.« Er deutete nach links. »Sehen Sie die Südwand?«
    »Man spricht mich häufiger auf die Ähnlichkeit an«, brummte der commandante . »Aber ich bin nicht Ray Charles.«
    Amadeo konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Nachdem er bei Styx im Studio Duartes Gesang erlebt hatte, erschien ihm eine Verwechslung unwahrscheinlich. Doch er wurde sofort wieder ernst. »Zum aequinoctium , der Tagundnachtgleiche Ende März und Ende September, fällt der Schatten der Südwand um zwölf Uhr mittags beinahe exakt quer über den Hof.« Er wies nach rechts. »Er endet dann dort drüben an der Nordwand - nur ein paar Zentimeter über dem Boden.«
    »Klingt ziemlich exakt«, nickte Duarte.
    »Und war möglicherweise noch exakter zu Friedrichs Zeiten«, stimmte Amadeo zu. »Oder auch

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