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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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hinter dem aufgemauerten Ausstiegshäuschen Schutz zu suchen.
    »Und nun?«, fragte der commandante , als sie die Prozedur hinter sich hatten.
    »Nun werden wir feststellen, wo die Sonne untergeht«, erklärte der Restaurator.
    Duarte fixierte ihn aus zusammengekniffenen Lidern. »Meines Wissens gibt es eine Stelle, an der sich das recht problemlos ablesen lässt - am Himmel.«
    Amadeo nickte. »Wenn Sie wissen wollen, wo die Sonne heute untergeht, ist das richtig, aber wenn Sie bitte jetzt auf ›Sonne‹ klicken … hier. Und jetzt auf › Ansicht/Daten ‹. Hier links die Startzeit: Unser Datum ist der dreizehnte Dezember des Jahres 1250.«
    »Faszinierend«, murmelte Duarte. Auch ihm zauste der Wind durchs Haar. Für eine Sekunde sah es aus, als ob er spitze Ohren hätte. »Und warum gerade dieses Datum?«
    »Der Todestag des Kaisers«, murmelte Amadeo. Das war der Punkt, über den er am längsten gegrübelt hatte, aber es war das einzige Datum, das einen Sinn ergab - wenn überhaupt. Angespannt blickte er auf die Finger des commandante .
    »Go!«, sagte Duarte leise. Ein Klicken. Der Bildschirm des Blackberry füllte sich mit Tabellenfeldern und Zahlenkolonnen.
    »Für uns sind die topozentrischen Koordinaten wichtig«, murmelte Amadeo. »Etwas weiter unten … hier. Aufgang … Transit … Untergang. Die Sonne sinkt um 16 Uhr 30 und einer halbe Minute bei einem Azimut von 238,9 Grad Westsüdwest.« Er hielt sein Handy neben Duartes Gerät. Mit zwei Klicken hatte er die gewünschte Funktion aktiviert: ein virtueller Kompass, der mit einer Präzision arbeitete, von der der verblichene Kaiser nur hätte träumen können.
Doch Friedrich hatte andere Möglichkeiten gehabt. Mit Hilfe komplizierter astronomischer Berechnungen ließ sich ein ähnlich genaues Ergebnis erzielen - und der Rest war eine Frage der Peilung.
    Langsam hob Amadeo den Blick, folgte dem kleinen Pfeil, der innerhalb der Kompassrose die westsüdwestliche Richtung angab. Der Restaurator kniff die Augen zusammen. Ein bläulicher Umriss am Horizont, steil und schroff, das umgebende, wellige Land weit überragend.
    »Ist das der Vesuv?«, fragte Duarte verblüfft. Er musste Amadeos Blick gefolgt sein.
    Der Restaurator schüttelte den Kopf. »Die Richtung stimmt ungefähr, aber der Vesuv ist viel weiter weg und auf der anderen Seite des Appenin. Unsichtbar von hier aus. Das muss …« Er glaubte zu spüren, wie in seinem Hirn zwei Zahnräder ineinanderrasteten. »Das muss der Monte Vulture sein«, murmelte er. »Der Geierberg . - Noch einmal«, flüsterte er. »Genau denselben Vorgang, selbes Datum, aber diesmal für die Venus!«
    Duartes Finger huschten über die winzigen Tasten. Der 13. Dezember des Jahres 1250, Aufgang, Transit, Untergang des Planeten Venus, des achtstrahligen Sterns.
    »18 Uhr 49 und ein paar Zerquetschte«, hauchte Amadeo. »Die Venus erscheint also nicht als Morgenstern an diesem Tag, sondern als Abendstern. Aber das ist egal, denke ich mal. Venus ist Venus. … Azimut bei 240,8 Grad«, wisperte er. »Westsüdwest.«
    Perplex starrte Duarte auf das Display. »Das ist ja fast identisch. - Ist das normal?«
    »Die Venus ist näher an der Sonne als wir«, murmelte Amadeo. »Deshalb kann sie sich nicht besonders weit von ihr entfernen - aus unserer Perspektive. Aber weniger als ein Grad Abweichung ist ungewöhnlich, und die Werte werden
sowieso auf Meereshöhe berechnet, während hier die Berge im Weg sind. Und auf jeden Fall …«
    Der Sturm hatte weiter an Macht gewonnen, trug noch immer das Echo leisen Hämmerns zu ihnen. Doch Amadeo konnte kaum noch auf die Geräusche achten. Ein blasser Streifen am Horizont, vor dem sich die gezackte Silhouette des Monte Vulture abhob.
    » Cecidit quidem sol mundi «, murmelte Amadeo. »So heißt es in einem Brief, den Manfred schrieb, Friedrichs Sohn, kurz nach dem Tod seines Vaters: Versunken ist die Sonne der Welt, die über den Völkern geleuchtet hat. Versunken ist die Sonne der Gerechtigkeit, versunken der Hort des Friedens. « Er hielt inne. »Versunken hinter dem Monte Vulture am dreizehnten Dezember des Jahres 1250. Die Sonne und die Venus. Beide stehen für ihn, für den Kaiser, selbst. - Gut«, murmelte er. Die Rädchen in seinem Kopf hatten Fahrt aufgenommen, und jetzt gab es kein Halten mehr. »Es gibt ein Problem. Man könnte einwenden, dass Friedrich seinen Todestag schlecht im Voraus kennen konnte. Jedenfalls nicht so lange im Voraus, dass er zwischendurch noch eine Burg

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