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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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nicht. Niemand kann sagen, wie hoch die Wand ursprünglich war. In Wahrheit kann das Ganze purer Zufall sein.«
    Ein leises Geräusch lenkte ihn ab. Es klang wie ein leises … Hämmern.
    »Was treiben die da?«, flüsterte er. Görlitz hielt sich für
Friedrichs Erben im Geiste, und jetzt fing er an, in des Kaisers Vermächtnis die Wände aufzubrechen?
    Natürlich, einiges sprach dafür, dass sich Friedrichs Depot irgendwo in den Mauern, Zwischenböden, Fundamenten der Burg versteckte - in einem Geheimfach, ähnlich wie das bei Händel ursprünglich der Fall gewesen war in der kleinen Dorfkirche in Edgware. Wenn man so dachte, musste man Castel del Monte eigentlich nur Stein um Stein in Schutt und Asche legen, und irgendwann … Amadeo wurde übel.
    »Kommen Sie mit«, murmelte er. »Wir müssen etwas tun, und sei es nur, um diesen Irren zu stoppen.«
    Neben dem Eingang, durch den sie den Innenhof betreten hatten, gab es zwei weitere Portale. Amadeo wandte sich nach links. Der letzte von Görlitz’ Männern war durch das rechte verschwunden.
    Der neue Raum ließ sich im Halbdunkel kaum von denjenigen unterscheiden, durch die sie bereits gekommen waren. Man musste die Feinheiten kennen, wie Amadeo sie kannte, die unterschiedliche Form der Fenster, die Anordnung der Türen, Details der verzierten Halbsäulen an der Hof- und der Außenwand - oder man musste ganz einfach wissen, wo man gerade war. Dann fand man sich zurecht.
    Amadeo trat durch die Tür, die rechter Hand in den Nebenraum führte, wandte sich dort sofort wieder nach links zu einem schmalen Durchgang in der Ecke.
    »Eine Wendeltreppe«, murmelte der commandante .
    Amadeo nickte. »Die einzige, die für uns in Frage kommt.« Er kniff die Augen zusammen. Licht fiel durch eine schmale Wandöffnung. Richtige Fenster gab es nicht in den Türmen; sie waren der trutzigste Teil der Festung.
    Amadeo begann die Stufen hinaufzuklettern. Entgegen dem Uhrzeigersinn wand sich die Treppe um die steinerne
Mittelachse. Ein äußerst ungewöhnliches Bild für eine mittelalterliche Festung. Amadeo musste die Augen nicht einmal schließen, um sich die Situation vorzustellen: Schergen des Papstes, denen es gelungen war, in das Castel einzudringen, der Innenhof bereits in ihrer Hand. Kaiser Friedrich, der sich ins Obergeschoss zurückgezogen hatte, samt seinen Falken, Astrologen, Eunuchen, Favoritinnen und was sonst noch dazu gehörte. Und seine furchtlose Sarazenengarde, der die unangenehme Aufgabe zufiel, die Eindringlinge in den Treppenhäusern aufzuhalten. Mehr als unangenehm, denn in diesem Moment waren die päpstlichen Einheiten klar im Vorteil, wenn sie gegen den Uhrzeigersinn die Treppen emporstürmten: jede Menge Spielraum auf der rechten Seite, um mit richtig viel Schwung auszuholen mit ihren Schwertern, Dolchen, Mordinstrumenten. Die Verteidiger dagegen - abwärts kämpfend, im Uhrzeigersinn also - kamen ständig mit der Mittelachse ins Gehege, wenn sie mit dem rechten Arm zum Schlag ausholten. Falls der Kaiser seine Leibgarde nicht ausschließlich aus sarazenischen Linkshändern zusammengestellt hatte, waren diese Treppenhäuser ein militärstrategischer Wahnsinn - es sei denn, das Kastell wäre eben gar nicht als Festung gedacht gewesen.
    Wie hatte Görlitz gesagt? Ein Götzentempel, in dem nur einer angebetet wurde: er, der Kaiser, selbst?
    Tatsächlich er selbst?, grübelte Amadeo. Oder doch etwas, das sehr viel größer war, so groß, dass Friedrich es in seinem Babylontext achtmal erwähnte: die geheimnisvolle Macht und der Lauf der Gestirne. Was, wenn die gesamte Anlage Teil des verzwicktesten und aufwendigsten aller babylonischen Codes war, ersonnen nur zu einem Zweck und enträtselt erst nach Jahrhunderten - durch Georg Friedrich Händel? Und nun? War Friedrichs Geheimnis im Begriff, ein zweites Mal entschlüsselt zu werden - durch Amadeo Fanelli
aus den Marken? Seine Ahnung war deutlicher geworden, doch noch immer wagte er es nicht, sie zu formulieren. Nicht, bevor er den Beweis antreten konnte.
    Eine Türöffnung wurde sichtbar. Amadeo legte den Finger auf die Lippen, lauschte. Das Hämmern war verstummt. Wann war das geschehen? Hatten Görlitz’ Männer bei ihren Abbrucharbeiten aufgegeben? Der Schall konnte täuschen auf Castel del Monte. Geräusche, die sich anhörten wie direkt von nebenan, konnten ihre Quelle am exakt entgegengesetzten Ende des Bauwerks haben. Das Kastell war durchlöchert wie ein Schweizer Käse, mit schmalen Schalllöchern und

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