Das Babylon-Virus
hinstellen konnte, an Koordinaten, die auf astrologische Verhältnisse ausgerichtet sind, die nur an diesem Tag funktionieren.«
Duarte sah ihn zweifelnd an. Er schien nicht zu begreifen - und trotzdem nickte er: »Wenn Sie das sagen.«
Dafür ist er eben Guerillakommandant, dachte Amadeo mit einem Anflug von Selbstgefälligkeit. Nicht Kaiser Friedrich II., Händel, Goethe oder Einstein, Ingolf Helmbrecht oder Amadeo Fanelli. Wenn man Duarte war, konnte man vermutlich ganz gut damit leben, nicht zu verstehen - so lange sie am Ende dort herauskamen, wo sie hinwollten.
»Aber zumindest …« Der Restaurator spähte in die zunehmende Dämmerung. »Zumindest kannte er ja die Prophezeiung,
nach der er sub fiore sterben würde, unter der Blume. Also ließ er ein Schloss erbauen, das geformt war wie eine Blume mit einem achtblättrigen Blütenblatt. An einem Ort, von dem aus betrachtet Sonne und Venus am dreizehnten Dezember 1250 hinter dem Monte Vulture sinken, dem Geierberg . Eigentlich tragisch.«
»Tragisch?«
»Er hat die Prophezeiung falsch gedeutet«, murmelte Amadeo. »Weil er zwar tatsächlich sub fiore starb, aber nicht hier, sondern in Fiorentino . Das hat es so undeutlich gemacht. - Und woher er von dem Termin wusste? Das ist schlicht nicht überliefert, wie es scheint. Nein«, flüsterte er. »Ich denke, die Botschaft ist deutlich.«
»Ah ja«, sagte der dunkelhäutige Mann. »Und was bedeutet das für uns?«
»Wie haben die das hingekriegt in › Der Flug des Phönix ‹?«, erkundigte sich Amadeo. »James Stewart, Hardy Krüger, Ernest Borgnine?«
Am Stuhl des Pharao, Hindukusch, Afghanistan
»Kommen wir durch?«
Rebecca klammerte sich an ihrem Sitz fest. Den Gurten traute sie nicht mehr, seitdem im Innern des Fuchs Dinge hin und her schepperten, die nicht hätten scheppern dürfen. Das Einzige, was sich nicht - oder doch nur vorhersehbar - bewegte, war der Soldat, der auf der Hecklafette gestorben war und den seine Kameraden auf den Sitz Rebecca gegenüber geschnallt hatten. Wann immer der Panzer unvermittelt in eine Bodenwelle sackte, fuhr der Arm der Leiche in die Höhe und der Kopf des Toten wurde ruckartig in den Nacken geworfen; ein makabrer Anblick.
Das Schlimmste für Rebecca aber war, dass sie von ihrem Platz am Heck aus keine Chance hatte, durch die gepanzerte Frontscheibe zu spähen. Drei behelmte Köpfe waren im Weg und das blondierte Haar ihrer Schwester, das sich immer wieder aus dem Knoten löste, in den Alyssa es zu zwingen versuchte.
Der Oberst selbst saß auf dem Beifahrersitz, auf den Knien ein monströses stählernes Mordinstrument: die MILAN-Panzerabwehrwaffe. Rebecca fragte sich, was das hochgezüchtete Waffensystem überhaupt in Afghanistan verloren hatte, wenn der Gegner angeblich gar keine Panzer besaß.
Doch die MILAN ließ sich nicht allein gegen Panzer einsetzen. Sie war ein Instrument von einer Zerstörungskraft, die die konventionelle MG-Bewaffnung des Radpanzers weit übertraf. Nur dass im Moment nicht daran zu denken war, sie einzusetzen. Der Fuchs schwankte hin und her wie ein Schiff inmitten rauer See. Mit Mühe hielt Rebecca ihren rebellierenden Magen unter Kontrolle. Die vage Übelkeit führte sie auf Alyssas Geheimdienst-Wundermittel zurück. Lästig, dachte sie, und im Moment mehr als unangenehm.
Aber immer noch besser als die Grippe.
Der Transportraum des Fuchs war von einem Schnäuzen und Röcheln erfüllt, über das sich hin und wieder ein leises Wimmern legte. Einer der ISAF-Soldaten war an der Schulter verletzt worden, als ein Querschläger den Panzer getroffen hatte. Mit verbissener Miene presste er die Hand auf die blutende Wunde. Im Augenblick war es undenkbar, sie auch nur notdürftig zu versorgen.
Ein Dröhnen und Donnern lag in der Luft, mal lauter, mal leiser, zeitweise überlagert von einem hohen, pfeifenden Geräusch, demselben, das gestern Abend den Himmel über Masar-E Sharif erfüllt hatte: die Boden-Boden-Raketen der Aufständischen.
»Kommen wir durch?«, wiederholte Rebecca.
»Eine Viertelmeile, dann weitet sich das Tal«, stieß der Soldat am Steuer zwischen zwei Hustenanfällen hervor. »Wenn wir es bis dahin schaffen, haben wir eine Chance.«
Eine Chance, dachte Rebecca. Na, reizend.
»Festhalten!«, keuchte der Fahrer.
Ein Schlag traf den Panzer. Rebecca wurde in ihren Gurt geschleudert. Das Fahrzeug ruckte. Elektrische Beleuchtung erhellte das Innere des Transportraums - Rebecca wurde sich dessen erst in diesem Moment
Weitere Kostenlose Bücher