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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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bewusst. Dem Moment, in dem die Anlage komplett ausfiel.
    Sie hörte das schwere Atmen der Männer, spürte den Geruch ihrer Panik. Nein, vollkommen finster war es nicht. Diffuse Helligkeit kam von der Frontscheibe, gedämpft durch Fontänen aufgewirbelten Staubs, der draußen in der Luft lag.
    Neues Donnern, das hohe Pfeifen von Raketen, dann das Geräusch einer Detonation - so nahe, dass der Ton aus Rebeccas eigenem Schädel zu kommen schien.
    »180 Grad.« Die Stimme des Fahrers war kaum mehr als ein Flüstern, und doch schien sie jeden Winkel des Innenraums zu füllen.
    Rebecca sah, wie Merthes sich auf dem Beifahrersitz vorbeugte, in den spezialgefertigten Seitenspiegel starrte. »Himmelhölleherrgott!«, wisperte er. Zwei Sekunden lang verharrte er reglos, dann hatte er sein Funkgerät an den Lippen. »Alles da raus, auf der Stelle! Kommandeur an TPz 1A4, raus da, auf der …«
    Die letzten Worte gingen in einer Detonation unter, die alle bisherigen Einschläge weit in den Schatten stellte. Rebecca war taub, sekundenlang. Was geschah, verfolgte sie mit den Augen einer fremden, fernen - und tauben - Beobachterin. Eine Druckwelle traf den Panzer, hob ihn von rechts, der Seite, auf der Rebecca saß, in die Luft. Sie sah,
wie sich die Münder der beiden lebenden Soldaten ihr gegenüber zu lautlos-entsetzten Schreien öffneten, während die Leiche die Arme in die Höhe warf - alle beide diesmal, als wollte sie sich, viel zu spät, dem Feind ergeben.
    Der Fuchs verharrte, halb in der Luft, in einem unmöglichen Winkel, um dann unvermittelt auf die Räder zurückzukippen.
    Der Aufprall trieb Rebecca die Luft aus den Lungen. Ihr Gehör kehrte zurück, doch gleichzeitig war sie beinahe blind, sah fluoreszierende Kreise vor den Augen. Stimmen, wild durcheinander. Mehr Stimmen, wie ihr schien, als Menschen im Panzer saßen.
    Heiser brüllte Merthes in sein Funkgerät. Rebecca bekam nur Fetzen mit. »Raus … Kommandeur an … alles … Sammeln! Hundert Meter, 270 Grad vom FüFu!«
    Im nächsten Augenblick schlugen die Geräusche über ihr zusammen. Eine Luke wurde aufgerissen, eine zweite öffnete sich, doch nur einen Spalt breit. Jemand fluchte lautstark, und jemand anders … Alyssa.
    Ihre Schwester machte sich an Rebeccas Anschnallgurt zu schaffen.
    »Was soll das?«, murmelte Rebecca. »Ich kann das …« Auf dem rechten Auge konnte sie plötzlich überhaupt nicht mehr sehen. Ein widerliches Gefühl auf ihrer rechten Gesichtshälfte. Sie tastete, zuckte zurück, starrte auf ihre Hand.
    Ihre Finger waren rot vor Blut.

Puglia und Basilicata, Italien
    Görlitz ließ sie gehen.
    War Amadeo wirklich überrascht darüber? Der Mann mit dem zerschundenen Gesicht hatte ihn und seine Begleiter
schon in London, nun, zwar nicht gehen lassen, aber er hatte sie eben lediglich eingesperrt im Mausoleum, anstatt sie an Ort und Stelle auszuschalten. Görlitz wollte ihm nicht ans Leben.
    Jetzt noch nicht.
    Amadeo spürte seine Blicke auf sich, als sie das Kastell verließen, selbst wenn er Görlitz nicht sehen konnte. Er wusste, dass er da war, lauernd, im Halbdunkel hinter den Arkadenfenstern des Thronsaals. Görlitz war dort, und er suchte nach einer Spur. Was, wenn er tatsächlich auf der richtigen Fährte war? Wenn das Depot und die Lösung von Friedrichs Code nun doch im Innern des Kastells lagen? Was, wenn Amadeo selbst sich täuschte?
    Nein, dachte der Restaurator, während die zyklopischen Wälle der Festung hinter ihnen zurückblieben. Es war zu deutlich: Friedrich, der die Sonne der Völker gewesen war, und die Venus, der leuchtende, achtstrahlige Morgenstern. Friedrich, der an ebenjenem Tag gestorben war, an dem Sonne und Venus nahezu am selben Punkt hinter dem Horizont versanken: hinter dem Monte Vulture, dem »Geierberg« . Geier, die sich vom Aas der Toten ernährten, fast als Einzige unter den großen Räubern der Lüfte. Wer hätte das besser gewusst als der Kaiser mit seinem Faible für alles, was Flügel und messerscharfe Schnäbel hatte? Nein, es war zu deutlich.
    Die Spur wies zum Monte Vulture, und Amadeo glaubte zu wissen, an welchen exakten Ort sie wies. Er war sich sicher: Eines der unzähligen Rätsel von Castel del Monte hatte er an diesem Nachmittag gelöst.
    Eilig kehrten er und sein Begleiter zurück zu der Schneise am Hang des baumbestandenen Hügels: Es war der kürzeste Weg zu ihrer Maschine, eine Verbindung zwischen zwei Punkten: eine Gerade. Dem so logisch und wissenschaftlich denkenden Kaiser hätte

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