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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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klettern auf die Mauer. Sagen Sie uns, was Sie sehen!«
    Rebecca hob die Augenbrauen. Das war kein dummer Gedanke; nicht nur für die Suche nach dem verschwundenen Soldaten.
    Die beiden Männer gehorchten eilig. Merthes hatte sie geschickt ausgewählt. Frerichs war ein sehniger, aufgeschossener Typ. In Sekunden hatte er über die Schultern des bulligen Majors die Mauerkrone erreicht, richtete sich balancierend auf.
    »Was sehen Sie?«, fragte der Oberst.
    Der Soldat drehte sich langsam im Kreis, die Arme zur Seite ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. »Mauern«, murmelte er. »Und sie …« Er hielt inne. »Schröder kann ich nicht sehen, aber ich seh ja nicht mal … Wo ist der Ausgang? - Der Eingang, meine ich. Und den Ausgang auch nicht, die dunkle Höhle da am Ende.«

    »Sie müssen doch …«
    »Wir sind in einer Art Tal.« Frerichs schluckte. »Einer Mulde. Ziemlich flach, würd ich sagen, aber ich kann nicht erkennen, wo das Labyrinth zu Ende ist. Ich kann die Mauer nicht sehen drumrum. Nur die Berge, aber die sind überall … überall ziemlich weit weg.«
    Rebecca blinzelte. Die zerklüfteten Hänge waren auch vom Boden aus gut zu erkennen. Sie wusste nicht, wann es passiert war, aber ihre Route hatte sie schon weit ins Zentrum der Höhle geführt.
    »Verdammt«, knurrte Merthes. »Kommen Sie wieder runter!« Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Sein Blick ging zu Alyssa. »Haben Sie irgendeine Garantie …«
    »Ich gebe Ihnen eine Garantie!«, knurrte sie. »In ein paar Tagen sind wir alle tot, wenn wir jetzt nicht weitergehen. Sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Männer vernünftig die Schuhe zubinden, und wir werden …«
    Sie brach ab. Rebecca sah sie fragend an, doch im selben Moment …
    Schritte.
    Also hatte sie sich nicht getäuscht vorhin!
    Die ISAF-Soldaten waren vollständig erstarrt, lauschten.
    »Schröder!«, brüllte der Oberst. »Hören Sie mich?«
    Schweigen.
    Nur die Schritte waren zu hören, gleichmäßig und …
    »Das ist mehr als einer«, flüsterte Rebecca. Sie hatte einen Moment gebraucht, bis sie sich sicher war. Die Mauern, die unvorhersehbaren Biegungen und Einmündungen, warfen die Geräusche zurück, verzerrten sie. Es war unmöglich zu sagen, in welchem Gang die Fremden unterwegs waren, unmittelbar rechts von ihnen oder links, ein Stück entfernt oder … Rebecca tastete nach ihrer Waffe. Oder kamen sie ihnen entgegen?

    »Reinold! Frerichs!«
    Die beiden Soldaten gehorchten auf der Stelle. Schon war Frerichs wieder auf seinem Aussichtspunkt, drehte sich im Kreis.
    Die Schritte waren verstummt.
    Merthes legte den Kopf in den Nacken. »Können Sie …«
    Ein Laut. Ein Laut wie ein Donnerschlag, ein rollender, tosender Donner.
    Frerichs zuckte zusammen, ruderte mit den Armen, schwankte vor und zurück.
    Jemand stieß einen erstickten Laut aus. Der semmelblonde Junge schlug die Hand vor den Mund - und in diesem Moment, als Frerichs oben auf der Mauer wild um sich rudernd nach hinten kippte, sah es auch Rebecca: Sein Hals, seine Kehle war eine einzige blutende Wunde.
    Taumelnd brachte der Soldat die Arme nach vorn, kippte … Major Reinold, an dem er hochgeklettert war, sah ihm mit aufgerissenen Augen entgegen, streckte die Arme aus.
    Zu spät. Die Brust voran schlug Frerichs auf dem Lehmboden auf, zuckte noch einmal - und lag dann still.
    Merthes, die Männer, die beiden Frauen umstanden ihn, zu keinem Wort fähig.
    Und in der Stille hörten sie, wie die Schritte sich langsam entfernten.
     
    »Eins.«
    »Zwei.«
    »Drei.«
    »Vier.«
    Es war lächerlich. Rebecca kam sich vor wie in der Schule, am Wandertag oder auf dem Weg zum Sportunterricht. Und doch besaß die Anordnung des Obersts einen Sinn.

    »Elf.«
    »Zwölf.«
    »Dreizehn.«
    »Vierzehn«, kam es von dem Jungen mit den Sommersprossen.
    Jeder der Soldaten hatte eine Nummer bekommen, und nun zählten sie durch, ununterbrochen, sofort wieder von vorn.
    »Eins.«
    »Zwei.«
    »Drei.«
    Merthes hatte keinen Versuch unternommen, Rebecca und Alyssa an diesem Spiel zu beteiligen. Nicht etwa, weil er ihnen gegenüber besondere Rücksicht nahm, sondern weil die beiden Frauen sich ohnehin direkt hinter ihm hielten, am Beginn des Zuges. Da würde sie schon keiner wegfangen.
    Wer auch immer …
    Nein, dachte Rebecca. Kein Wer auch immer . Ihr Gegner war unsichtbar, doch Frerichs Tod ging jedenfalls nicht auf das Konto der Babylonier mit ihren Grillrost-Fallen. Dieser Feind schoss mit modernster Kleinkalibermunition,

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