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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Papyrus zu tauschen.
    Doch der Mann, mit dem er einmal Seite an Seite gearbeitet hatte, kannte ihn einfach zu gut. Görlitz wusste, wo er ihn treffen konnte.
    »Ach mein lieber, lieber Amadeo«, sagte der Mann mit dem Narbengesicht. »Glaube mir, ich würde dir diese Zeilen so gern zu lesen geben! Aber das kann ich dir einfach
nicht antun. Ich weiß doch, in welcher Sorge du bist um Rebecca. Wenn du das hier liest: dieses Spinnenlabyrinth und … Nein, wirklich; du würdest sterben vor Sorge. Und das wollen wir doch nicht - zu diesem Zeitpunkt.«
    Mit äußerster Willensanstrengung hielt sich Amadeo auf seinem Platz, widerstand dem fast unbezähmbaren Wunsch, dem Kerl den Ausdruck falschen Mitgefühls aus der narbigen Visage zu prügeln.
    »Sterben«, nickte Görlitz, faltete den Papyrus wieder auseinander und begann von Neuem aufmerksam mit der Lektüre.
    »Aber ich denk drüber nach«, murmelte er. »Großes Ehrenwort.«

Das Haus der Spinne
    Alyssas Plan ging auf.
    Am Anfang.
    Der Zug wandte sich nach links, schob sich um ein, zwei Ecken und kam zu einer neuen Einmündung, einer neuen Tafel. Dasselbe Spiel. Wieder ein Pfeil nach links, ein kahler Gang, sechzig, siebzig Meter, mehrere Biegungen - und noch eine Tafel.
    Der Text war kryptisch wie die anderen auch: vierzig, fünfzig Zeichen. Noch nicht mal Twitter-Länge, dachte Rebecca.
    Alyssa zeichnete oberhalb der Tafel ihren Pfeil ein, nickte dem Oberst zu.
    Merthes hielt einen Moment lang inne, lauschte. Ein Laut wie ein leises Zirpen lag in der Luft. Rebecca war das Geräusch schon gestern Abend aufgefallen, und sie brachte es mit den elektrostatischen Phänomenen in Verbindung, die
das Höhlengewölbe über dem Haus der Spinne erfüllten. Doch es schien mal lauter, mal leiser zu werden, und im Moment war es lauter denn je.
    Der Oberst nickte einigen seiner Männer zu, die sich daraufhin ein paar Schritte nach links, nach rechts entfernten, stehenblieben.
    »Hier ist es kaum noch zu hören, Herr Oberst«, meldete sich der semmelblonde Junge, der mit der Gruppe nach rechts gegangen war - in die Richtung, in die sie sich nicht bewegen wollten.
    Fragend sah Merthes in die andere Richtung. »Keine Veränderung«, gab einer der Soldaten Nachricht.
    Zögernd gab der Oberst den Männern ein Zeichen, weiterzugehen, aber langsam. Er selbst hielt sich direkt hinter ihnen mit seiner Panzerabwehrwaffe, gefolgt von Rebecca und Alyssa.
    Rebeccas Finger fuhren über die Oberfläche der Mauer. Trockener Lehmputz. Er konnte von letztem Jahr sein oder aus dem letzten oder vorletzten Jahrtausend. Es gab keinen Unterschied zu irgendeiner anderen Stelle des Labyrinths, die sie bereits passiert hatten.
    Der Gang bog nach links, ohne dass sie eine Wahlmöglichkeit gehabt hätten, gleich darauf nach rechts, und ein paar Meter vor ihnen sah Rebecca schon die nächste …
    Es ging zu schnell, um überhaupt zu begreifen, was geschah.
    Wurde das Zirpen lauter, für den Bruchteil einer Sekunde? Im selben Moment ein sehr viel deutlicheres Geräusch, ein Laut wie ein tschuck! Ein Aufblitzen, rasch wie ein Blitzschlag, ein durchdringender Schrei. Ein Schrei, der nicht wieder aufhören wollte.
    Merthes fuhr zurück, die MILAN …
    Er feuerte sie nicht ab.

    Der Schrei hielt an. Rebecca, in Angriffsstellung, warf sich nach vorn, um den Oberst beiseitezureißen. Doch es hatte keinen Sinn.
    Die Männer der Vorhut stolperten zurück, alle - bis auf einen.
    Eine Phalanx nadelspitzer Lanzen, die aus dem Boden geschossen war. Einer der Soldaten, durchbohrt von zweien, dreien der Spieße. Er war nicht tot, das war das Schlimmste; sein Körper zuckte, doch auf den ersten Blick war zu erkennen …
    Merthes sagte kein Wort. Er ließ die Panzerfaust sinken, hatte eine kleine Waffe, eine Dienstpistole in der Hand. Ein seltsam gedämpftes Geräusch, als er sie an die Schläfe des Soldaten setzte und abdrückte.
    Ein letztes Zucken. Leblos glitt der Körper des Mannes am Metall hinab.
    Rebecca starrte auf das Bild.
    Es war zu schnell gegangen. Zu schnell, um die Dinge überhaupt zu erfassen. Eine Falle. Eine heimtückische, jahrtausendealte Falle. Aber wie konnte … Nach fünftausend Jahren? Das war undenkbar! Konnte irgendeine Mechanik nach einer so langen Zeit noch …
    Natürlich konnte sie! Die Falle war zugeschnappt!
    Die ISAF-Männer wichen zurück. Merthes bellte einen Befehl. Zwei der erfahreneren Soldaten setzten sich an die Spitze, und mit langsamen Schritten schob sich der Trupp zurück zur

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