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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Jahrtausenden hatten Männer und Frauen aus Babylon einen gewaltigen Plan entworfen: Das Wissen um die wahre Geschichte des Turmbaus zu Babel sollte von einem großen Geist zum nächsten weitergegeben werden, damit es der Menschheit niemals verloren gehen konnte. Spätere Generationen hatten dann Hindernisse eingebaut. Sie hatten aufwendige Codes geschaffen, aus der Überlieferung selbst ein Geheimnis gemacht, dem man kaum noch folgen konnte. Die eigentliche Botschaft der Babylonier, die tatsächliche
Existenz der Seuche und des Heilmittels, war währenddessen nach und nach vergessen worden.
    Und doch hatte sich das Schema niemals verändert: ein geheimes Wissen, ein Ort, an dem dieses Wissen verwahrt wurde, und ein Weg, der zu diesem Ort führte. Eine Kette von Geheimnissen, alle miteinander verknüpft.
    Das war der wahre Sinn des babylonischen Geheimnisses. Nur wer dem Weg, der langen Kette folgte, erwarb das Recht, sich dem Heilmittel zu nähern.
    Amadeo und seine Verbündeten hatten dieses Recht erworben - aber nicht Jean-Lucien Verholen. Selbst Görlitz, der zumindest das eine oder andere Rätsel gelöst hatte, besaß noch ein größeres Anrecht.
    Das ist falsch , dachte Amadeo. Irgendetwas hier ist ganz und gar falsch .
    Der Turm.
    Er erinnerte an eine babylonische Zikkurat, an die Stufenpyramiden aus Lehmziegeln, die die Völker des alten Mesopotamien an den Ufern von Euphrat und Tigris errichtet hatten - und er war doch ganz anders.
    Er war höher. Er war schlanker, ja, graziler, wuchs Hunderte von Metern empor, in eine Höhle hinein, die nahezu den gesamten mächtigen Bergstock einnehmen musste, in dessen Schatten der Helikopter zu Boden gegangen war. Das Bauwerk bestand aus dunklem, matt schimmerndem Felsgestein, das mit einer Kunstfertigkeit verziert war, die unmöglich allein auf babylonische Vorbilder zurückgehen konnte. Die Erinnerung an unterschiedlichste Zivilisationen, unterschiedlichste kunsthistorische Epochen spiegelte sich wider in seinem verwirrenden Schmuck. Ein Architektur gewordenes Buch der Menschheitsgeschichte.
    Die Wahl des Ortes, eine Höhle tief unter den Bergen des Hindukusch, mochte zum Teil einer Art Aberglauben zu verdanken
sein: Wenn Gott - oder der Rat der Götterwelt - vom Himmel blickte, würde er nichts davon mitbekommen, was in den Eingeweiden der afghanischen Bergwelt langsam in die Höhe wuchs.
    Doch war das der einzige Grund gewesen, gerade diesen Ort zu wählen?
    An der Spitze des Turms war ein Leuchten, ein unwirklich violetter Schimmer: ein scharf umgrenzter, willkürlich hin und her zuckender Faden aus Licht - wie ein permanenter Blitzeinschlag.
    Elektrischer Strom! Wie auch immer das Phänomen funktionierte und warum auch immer gerade an diesem Punkt der Welt: Die Babylonier hatten ihren Turm so weit gen Himmel gebaut, dass sie am Ende eine Spur des göttlichen Funkens für sich erobert hatten.
    Die Gegenwart statischer Elektrizität erfüllte die Höhle, ein bedrohliches Summen wie von Hochspannungsmasten.
    Doch da war noch ein zweites Geräusch.
    Amadeo hatte von diesem Geräusch geträumt, drei Tage war es her, auf einem Autobahnparkplatz kurz vor dem Berliner Ring. Es war ein Flüstern in der Schwärze, ein Wispern, Zirpen, ein Rascheln.
    Es klang wie das leise, aber tausendmillionenfache Aneinanderreiben winziger, chitinbedeckter Glieder, das es war.
    Käfer.
    Die wispernde Dunkelheit füllte eine tiefe Senke, die sich rund um den Turm der Babylonier zog wie der Graben um eine mittelalterliche Burganlage: das Tal der Gerüsteten.
    Dies waren die wahren Wächter des babylonischen Geheimnisses: Millionen dunkler Käfer, die ihre Leiber, ihre chitinbedeckten Kiefer, aneinanderrieben.
    Amadeo konnte seine Knie nicht mehr spüren, als sie das Ende der Treppe erreichten und am Rande des Grabens anlangten.
Verholen blieb stehen, deutete nach rechts, auf eine Höhlung im Gestein, einen Torweg, und dahinter …
    Amadeo hatte versucht, Rebecca vor dem Haus der Spinne zu warnen, vor den Sicherungen, die Alexander der Große dort eingebaut hatte. Wir sind mittendrin! hatte sie ins Handy gebrüllt. Ihre letzten Worte beinahe.
    Doch, nein, es waren nicht die Fallen des makedonischen Königs gewesen, die sie getötet hatten. Amadeo hatte Schüsse gehört, ein Rasseln und Donnern wie von einer Explosion.
    Dann nichts mehr.
    Eine monströse Schutthalde, mehr war nicht geblieben. Lehmziegel, beleuchtet durch ein geisterhaftes Inferno von Blitzen, die über einen dunklen Himmel

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