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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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zuckten, der kein Himmel war.
    Könnte es ein passenderes Bild geben?, dachte Amadeo traurig. Ein passenderes Bild für das Ende all seiner Hoffnungen?
    Sein Fuß!
    Amadeo schrie auf, zuckte zurück.
    Da war ein Stechen gewesen, ein Schlag wie mit einer Fliegenklatsche.
    Der Restaurator sah eine huschende Bewegung. Als er dazu kam, Ekel zu empfinden, war der Käfer bereits in den Schatten verschwunden.
    »Was …«, flüsterte er, starrte ihm nach, in die Schwärze hinein. »Sie sind elektrisch geladen«, murmelte er und konnte nicht verhindern, dass sich eine widerwillige Faszination in seine Stimme stahl.
    Verholen nickte stumm, doch dann wandte sein Blick sich ab, wanderte hinüber zum Turm, zu dem grässlichen Graben schwarzen Lebens, der ihn umgab.
    Zu der Brücke, die sich über diesen Graben spannte.

    In einem kühnen Bogen zog sie sich über die Käfergrube hinweg, endete an einer dunklen Öffnung, die ins Innere des Turms führte.
    Fast gegen seinen Willen näherte sich Amadeo dem Zugang, berührte das verzierte Geländer. Stein? Oder Metall? Wenn es ein Gestein war, enthielt es eine hohe Konzentration von Erzen. Der gesamte Turm musste ein monströser Faraday’scher Käfig sein.
    »Im Empire State Building gibt’s jedes Jahr einen Wettlauf.« Amadeo zuckte automatisch zurück, als Görlitz’ Stimme unmittelbar an seiner Seite ertönte. Der Mann mit dem zernarbten Gesicht betatschte das gegenüberliegende Geländer. »Wer als Erster oben ist«, murmelte er. »Warum nur bin ich mir so sicher, dass es so einfach nicht sein wird?«
    »Wieder einmal beweisen Sie Ihr Talent, das Offensichtliche auszusprechen, mein lieber Herr Görlitz.«
    Wie auf ein Kommando drehten die beiden Männer die Köpfe. Umgeben von seinen Gorillas stand Verholen am höchsten Punkt des Torwegs, in seinem Rücken die Verwüstungen im Haus der Spinne, die der Blonde zu verantworten hatte.
    »Leider Gottes scheinen unsere babylonischen Freunde gewisse Vorkehrungen getroffen zu haben, die uns den Zugang verwehren«, erklärte Verholen. »Vorkehrungen, die wie geschaffen erscheinen für den größten Geist unserer Epoche: Amadeo Fanelli … oder Steffen Görlitz. Eine typische Olympiasituation, wenn ich das so sagen darf: Besondere Herausforderungen waren schon immer förderlich für außergewöhnliche Leistungen - und möglicherweise können wir die Herausforderung noch ein wenig verstärken.« Er nickte, beinahe unmerklich. Seine Gorillas hoben die Waffen, legten an, auf Amadeo - und Görlitz. Der Restaurator sah, wie sein ehemaliger Kollege sich anspannte, doch überrascht
wirkte Görlitz nicht. Er war nie mehr als ein Werkzeug gewesen für Jean-Lucien Verholen, und augenscheinlich war ihm das klar. Der Mann mit dem Narbengesicht zitterte nicht einmal. Für seine Verhältnisse wirkte er geradezu gefasst.
    »Ich denke, Sie machen sich jetzt auf den Weg«, bemerkte der Blonde. »Wir haben noch eine weite Strecke vor uns - in der Vertikalen.«
    Die beiden Männer gehorchten, wieder mit derselben, seltsam synchronen Bewegung. Amadeo gefiel es nicht, wenn er sich verhielt wie Görlitz - und Görlitz sich wie er. Selbst wenn es nur um eine solche Winzigkeit ging. Und dass sie sich jetzt beide in derselben Situation befanden, gefiel ihm noch viel weniger.
    Nebeneinander hatten sie keinen Platz auf der Brücke. Amadeo ließ seinem ehemaligen Kollegen den Vortritt. Aus Höflichkeit? Nein. Das Bild, wie die Konstruktion unter ihren Füßen nachgab, zerbröckelnd in die Tiefe stürzte, in die chitingepanzerte Finsternis … So weit zu deiner eigenen persönlichen Courage, dachte er düster.
    Das Gestein oder Metall der Brücke vibrierte, doch es war nicht der Rhythmus ihrer Schritte, der den Effekt hervorrief. Das Zirpen, das Wispern und Rascheln der Käfer übertrug sich. Schon hier, hoch über dem Tal der Gerüsteten, kam Amadeo sich eingeschlossen vor, gefangen in einem Meer aus zu vielen winzigen Beinen, blicklosen, facettierten Augen, chitingepanzerten, hornigen Zangen.
    Das abweisende Portal des Turms bedeutete beinahe einen Hafen der Sicherheit, als es Schritt um Schritt näherrückte, bis Amadeo erkannte:
    Der Zugang war verschlossen. Eine fugenlose, matt glänzende Wand versperrte ihnen den Weg.
    Görlitz verharrte auf den letzten Metern der Brücke, die
sich vor der verschlossenen Pforte verbreiterte, sodass sie nebeneinanderstehen konnten. Mit einem Blick über die Schulter stellte Amadeo fest, dass Verholen und seine Schergen sich

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