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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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waren schon der Gipfel der Evolution. Hatte es die Insel zu Einsteins Zeiten überhaupt schon gegeben?
    Amadeo stoppte den Motor und wartete, bis das Boot einigermaßen ruhig an Ort und Stelle lag. Hier unten waren die Wellen im Moment nur ein gleichmäßiges, aber eisig kaltes, tiefgraues Auf und Ab. Er massierte seine Hände. Das
Gefühl war erst ansatzweise in seine Finger zurückgekehrt. Ungeschickt öffnete er den Reißverschluss der Sporttasche und begann in der klammen Nässe zu kramen, bis er das Handy gefunden hatte.
    Mit klopfendem Herzen zog er das Gerät hervor, klappte es auf. Wasser tröpfelte ihm entgegen, das Display war blind. Amadeo drückte eine Taste - nichts geschah. Hilflos schüttelte er das kleine Instrument - keine Reaktion.
    »Maledetto«, murmelte er. Jetzt hatte der Professor sich endlich … Doch konnte er sich überhaupt sicher sein, dass Helmbrecht der Anrufer gewesen war? Genauso gut konnte es Gianna gewesen sein. Sie würde ihn nicht ohne Not alarmieren, doch womöglich brannte in der officina die Luft. Oder Rebecca hatte sich ausgerechnet diesen Zeitpunkt ausgesucht, um nach Hause zu kommen. Oder seine Mutter hatte plötzlich Sehnsucht nach ihm. Nein, der Professor war nicht die einzige Möglichkeit. Aber trotz allem hoffte, betete er beinahe, dass es eben doch Helmbrecht gewesen war: ein Lebenszeichen, mehr wollte er doch gar nicht.
    Amadeo biss die Zähne zusammen. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung: für den Professor, aber auch für sein telefonino . Er verzog das Gesicht, als er von Neuem in der Tasche zu suchen begann. Ein kompakter Gegenstand: die Navigation. Vorsichtig zog er das Gerät ins Freie - und atmete auf. Es lief noch, sogar GPS-Empfang hatte es! Es war ein Wunder! Ohne Navigation hätte er gleich wieder einpacken können.
    Angespannt betrachtete er das Display: 52 Grad, 21 Minuten, 26 Sekunden 49 Nord und 12 Grad, 59 Minuten, 40 Sekunden 56 Ost . Die Bruchteile unterhalb der Sekundenebene sprangen bei der winzigsten Bewegung des Bootes wild hin und her, doch das waren Kleinigkeiten. Entscheidender waren die Sekunden selbst: Amadeo befand sich
etwa eine Sekunde zu weit nördlich und beinahe zwei Sekunden zu weit östlich, Distanzen, die sich in mitteleuropäischen Breiten im Bereich von dreißig, vierzig Metern bewegten. Auf jeden Fall war es die falsche Seite der kleinen Insel, auf deren ihm zugewandter Seite er bei näherem Hinsehen einen verfallenen Landungssteg entdeckte.
    Noch einmal griff er in den Bugraum und brachte ein Paar Ruder zum Vorschein. Vorsichtig bugsierte er das Boot auf die improvisierte Landestelle zu und vertäute es an den Resten der Holzkonstruktion, bevor er die Sporttasche vollends aufschnürte.
    Seine frisch erworbene Anglerhose war ein Monstrum. Amadeo spürte einen solchen Widerwillen, das schwere, gummierte Gewebe über die Füße zu ziehen: Es war, als sollte er in ein U-Boot steigen, das viel zu eng war für einen Menschen und ohne jede Luftzufuhr - oder in einen Sarg. Doch gab es eine Alternative? Lesen! Lösen! Herbringen!
    Irgendwo hier in der Nähe, nur noch Meter entfernt, lag Albert Einsteins Geheimnis, unter der Wasseroberfläche mit ziemlicher Sicherheit, halb vergraben im Schlamm. Wenn Amadeo nicht binnen fünf Minuten erfrieren wollte, sobald er in die Fluten stieg, musste er den erstickenden Käfig aus Gummi in Kauf nehmen. Als es ihm endlich gelungen war, das Ungetüm bis zu den Hüften hochzuziehen, kam er sich vor wie frisch gewindelt. Zum Abschluss folgten noch die wasserdichten Handschuhe, deren Stulpen bis über die Ärmel der Regenjacke reichten. Amadeo wusste sehr gut, dass das alles nur zweite Wahl war - doch ihm war fast das Herz stehengeblieben, als er den Preis für einen Taucheranzug gesehen hatte.
    Er warf einen Blick zum Himmel. Grau und trübe wie zuvor, aber die Wolken waren in Bewegung geraten, jagten
dahin, als wollten selbst sie diesen unwirtlichen Winkel des Havellands nicht länger ertragen als notwendig.
    Amadeo holte Luft und nahm allen Mut zusammen. Mit einem Griff nach oben erhaschte er das Astwerk eines fast schon kahlen Baumes, prüfte, ob es ihn tragen würde. Er hatte keine Ahnung, wie tief der See an dieser Stelle war. In dieser Montur konnte er jedenfalls keine zwei Züge schwimmen. Eine falsche Bewegung, und er würde jämmerlich ertrinken.
    Doch der Ast machte einen stabilen Eindruck. Mit einer ruckartigen Bewegung löste Amadeo sich vom Boot. Eine Sekunde lang trug der verkrüppelte

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