Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
voller Ekel die schlierige Schlammschicht, die seine Anglermontur bedeckte.
    »Sie sehen aber ziemlich bäh aus«, bemerkte der Knirps.
    »Danke, dass du mir das sagst.« Der Restaurator widerstand eben noch dem Impuls, sich mit dem verdreckten Handschuh über die Stirn zu wischen. »Passt mal auf: Ich fahre jetzt zurück zur Anlegestelle - die ist drüben im Ort, in Caputh. Kennt ihr die?«
    Die Jungen nickten synchron.
    »Ihr müsst die Fähre nehmen«, erklärte Amadeo vorsichtshalber, wandte sich dann an den Anführer: »Ich würde mich gern mal mit deinem Opa unterhalten. Wenn du mir da hilfst, kriegst du … dann kriegt ihr von mir jeder eine Tafel Schoko …«
    »Zigaretten.«

    Amadeo verschluckte sich. In seiner Kindheit hatte man ihm eingebläut, von fremden Männern keine Süßigkeiten anzunehmen. Die heutige Jugend war offenbar flexibler.
    »Darüber reden wir am Steg«, sagte er ausweichend. Auf seinem rechten Handschuh kroch ein Etwas, das entschieden zu viele Beine hatte. Mit einer hektischen Bewegung versuchte er es abzuschütteln, machte einen Schritt zur Seite. »Ich werde ein bisschen brauchen, bis ich mit dem Boot da bin. Wohnt dein Opa in der Nähe? Vielleicht könnt ihr schon mal …«
    Amadeo kniff die Augen zusammen.
    Die Jungen waren nicht mehr zu sehen, er hörte nur noch ihre Schritte.
    Amadeo stellte fest, dass er eine Gänsehaut hatte, und das lag nicht allein an der eisigen Luft, die ihm plötzlich wieder zu Bewusstsein kam.
    Wenn es Damm und Insel zu Einsteins Zeit noch nicht gegeben hatte, was hatte sich dann an dieser Stelle befunden? Und wo war dieses Etwas abgeblieben?
    Möglicherweise gab es einen Menschen, der ihm das verraten konnte.
     
    Die Kinder warteten am Steg auf ihn, und der Großvater des Anführers war auch schon dabei. Amadeo hätte es ahnen müssen: Mit einem nicht zu deutenden Gesichtsausdruck blickte Fernwaldt ihm entgegen.
    Irgendetwas an dem Mann hatte sich verändert, ohne dass Amadeo hätte sagen können, was es war. Die Wachsamkeit in Fernwaldts Miene war etwas anderem, etwas Stärkerem gewichen, das aber auch nicht Misstrauen war, sondern … Angst? Das ergab keinen Sinn. Warum sollte der Alte Angst vor ihm haben?
    Während die Knirpse am Strand einen empört schnatternden
Erpel verfolgten, machten Amadeo und der alte Mann den Kauf der Sturmkönigin rückgängig. Zu seinem grenzenlosen Erstaunen bekam der Restaurator exakt denselben Preis ausgezahlt, den er für das Boot auf den Tisch gelegt hatte.
    Er nahm drei zehn Euro-Scheine aus dem Bündel und zählte sie dem Mann in die Handfläche. »Für die Jungs. - Fürs Sparschwein«, betonte er. Die Zigaretten zu erwähnen schien ihm kein guter Gedanke.
    Fernwaldt betrachtete ihn von oben bis unten, nickte dann. »Geht jetzt spielen!«, sagte er, ohne die Jungen noch einmal anzuschauen. Aus schmalen Schlitzen blieb sein Blick auf Amadeo gerichtet. Er griff in seine Windjacke und zog seine Zigaretten hervor.
    »Die kleine Insel an der Rückseite des Bahndamms?« Fahrig klemmte er sich eine Kippe zwischen die Zähne. »Ein geheimer Schatz?«
    Amadeo nickte verwirrt. Die Kinder mussten dem Alten ihre Geschichte erzählt haben, aber warum diese Veränderung in seinem Verhalten?
    »Wissen Sie, was ich nicht begreife?«, wollte Fernwaldt wissen. »Warum haben Sie mich nicht einfach gefragt? Wenn ich mit allem gerechnet hätte … Aber dass Sie einer von denen sind.« Er brachte ein Feuerzeug zum Vorschein, schnippte über das Rädchen, ohne dass etwas passierte. Ein zweites Mal … Seine Hände zitterten. Sie zitterten so stark, dass er ein halbes Dutzend Versuche brauchte, bis die Flamme zündete.
    »Einer von denen ?«, fragte Amadeo verwirrt.
    »Ich habe auf Sie gewartet. Und vor mir hat mein Vater auf Sie gewartet - bis zu seinem Tod. Ob es geregnet oder geschneit hat, selbst wenn das Eis so dick gefroren war, dass man zu Fuß über den verdammten See laufen konnte. Jeden
Morgen ist einer von uns hier an diesen Steg gekommen und hat gewartet. Und nun sind Sie da.« Er blickte über die Schulter und nickte knapp, als er feststellte, dass die Kinder sich tatsächlich entfernt hatten. »Natürlich konnten wir nicht wissen, wen sie schicken würden.«
    »Sie?«
    » NKWD. KGB. « Die Spitze der Zigarette glomm auf, als Fernwaldt den Tabakqualm einsog. »Oder wie nennen Sie sich heute? FSB, Federalaia Slushba Benopanosti? «
    Einen Moment lang war Amadeo sich sicher, dass er sich einfach verhört haben musste. NKWD. KGB.

Weitere Kostenlose Bücher