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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Amadeo sich bis zum Hals in die bräunlichen Fluten sinken. Während er mit der rechten Hand einigermaßen sicheren Halt im Wurzelgeflecht fand, begann die andere, unter Wasser die Uferböschung abzutasten.
    Da bewegte sich etwas! Amadeos Hand zuckte zurück.
Was für Viecher vegetierten in dieser Brühe? Im selben Moment spürte er, wie sich etwas unter seine Regenjacke schob, etwas Glitschiges wie ein … Ein Aal? Aale waren Aasfresser, wenn man Günter Grass und seiner Blechtrommel glauben konnte. Auf einen Schlag war Amadeo dermaßen übel, dass er Mühe hatte, nicht den Griff um seinen einzigen Halt zu verlieren.
    Unter Aufbietung aller Kräfte zwang er sich, mit seiner Untersuchung fortzufahren. In den Seen Brandenburgs lebten keine Raubfische, keine jedenfalls, die Menschen angriffen.
    Nach fünf Minuten fand Amadeo eine völlig verrostete Getränkedose, kurz darauf etwas Zähes, das ihm zweimal aus der Hand flutschte, bevor er ein gebrauchtes Kondom ans Tageslicht beförderte. Nun, dachte er schaudernd, das Inselchen war zumindest weit ab vom Schuss - aber welch ein Ort für ein romantisches Stelldichein.
    Doch noch immer keine Spur von Einsteins Geheimnis. Der Restaurator hatte sich bereits drei oder vier Meter am schlammigen Ufersaum entlanggehangelt, zuerst nach links, nun nach rechts. Es musste hier irgendwo sein - es sei denn, die Wasserpflanzen und Weidenwurzeln hatten den verborgenen Gegenstand schon vor Jahrzehnten überwuchert. Doch hätte Einstein damit nicht rechnen müssen, wenn er schon einkalkuliert hatte, dass Helmbrecht das Rätsel zu seinen Lebzeiten nicht würde lösen können? Hätte er nicht irgendwie Vorsorge getroffen?
    Wieder ließ Amadeo seine Hand suchend in die lichtlose Tiefe gleiten, reckte die Finger so weit wie nur möglich, verrenkte sich den Hals, um den Kopf über Wasser zu halten.
    »Ertrinken Sie gerade?«
    Die Stimme klang nicht eigentlich besorgt. Vor allem
klang sie neugierig, und Amadeo erkannte sie auf der Stelle wieder, noch bevor er sich umständlich umgedreht hatte.
    Die Knirpse standen am höchsten Punkt des Bahndamms und beobachteten ihn staunend.
    Nein!, wollte er schnauzen. Ist doch tolles Wetter heute. Ich musste mich einfach mal abkühlen.
    Doch im letzten Moment biss er sich auf die Zunge. Mit jeder Minute, die er in diesem stinkenden Morast zubrachte, wuchsen seine Zweifel, ob er nicht einen kapitalen Fehler beging. Und er hatte keine Zeit mehr ! Amadeo fasste einen Entschluss. Mit Sicherheit kannten die Knirpse sich hier aus und kamen aus der Gegend - Urlauber waren ja keine mehr da.
    »Ihr dürft das niemandem weitererzählen«, sagte er mit verschwörerisch gedämpfter Stimme, gerade laut genug, dass sie ihn trotzdem noch verstanden. »Ich suche nach einem geheimen Schatz.«
    Die drei machten große Augen. »Haben Sie eine Schatzkarte?«, fragte der Größte von ihnen, anscheinend der Anführer.
    »So etwas in der Art.« Amadeo nickte geheimnisvoll und musste aufpassen, dass er den Kopf über Wasser behielt. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob das hier die richtige Schatzinsel ist. Diese Schatzkarte ist sehr alt, müsst ihr wissen.«
    »Die Insel gibt’s schon immer.« Der Junge zögerte. »Also schon sehr lange jedenfalls. Bestimmt so lange wie den Bahndamm. Den hat mein Opa mitgebaut, der ist auch sehr alt.«
    Der Restaurator stutzte. Wie selbstverständlich war er davon ausgegangen, dass zumindest der Damm schon zu Einsteins Zeiten existiert hatte, gerade wenn es ein Bahndamm war. Vorortbahnen hatten ihre Hochzeit um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert erlebt. Doch der
Junge war keine zehn. Wie lange brauchte die einheimische Bevölkerung, um sich zu reproduzieren?
    »Weißt du, wie lange das her ist, dass dein Opa den Damm gebaut hat?« Amadeo drehte sich mühsam um und wuchtete seinen gummierten Leib zurück ans Ufer.
    »Das war in der DDR«, sagte der Junge nachdenklich. »Die DDR war sowas wie Krieg.«
    Amadeo nickte finster. Das änderte alles. Die DDR war als Folge des Zweiten Weltkriegs entstanden - mehr als eineinhalb Jahrzehnte nachdem Einstein sein Haus am Schwielowsee verlassen hatte.
    Amadeos Gedanken fuhren Karussell: Es hatte hier völlig anders ausgesehen zu Lebzeiten des Physikers. Kein Bahndamm und vermutlich auch keine Insel mit Schilf und Wurzelwerk und Aalen und namenlosem Ungeziefer. Und einem verborgenen Geheimnis. Es war vollkommen sinnlos, jetzt noch weiterzusuchen.
    »Ah ja«, murmelte er und betrachtete

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