Das Band der Magie
Unflätiges entgegen brüllte, wandte sich Tristan noch mal an Brahn, als sei sein Gegner gar nicht da. „Richte Liah bitte aus, dass es nichts zu verzeihen gibt. Es gehören immer zwei dazu – und es hat mir die Welt bedeutet. Und halt sie zurück, Brahn. Lass nicht zu, dass sie sich selbst zerstört … oder andere.“
Brahn nickte geschockt und tat auch dann nichts, als Tristan sich sanft aus seinem Griff löste und Mahedan entgegen trat.
Ganz allein. Er wirkte so verloren wie das letzte Blatt am Baum.
Immerhin kam jetzt etwas Bewegung in Brahn, denn er zog mich hoch. „Nimm“, flüsterte er. Schon drückte er mir den Schlüssel für Keelins Ketten in die Hand. „Und mach dich bereit!“
Ich stählte mich innerlich für das, was jetzt kommen würde – aber auf so etwas kann man sich nicht vorbereiten. Mahedan zeigte mit seiner Schwertspitze auf Tristans Brust und donnerte: „Ich fordere dich zum Kampf. Deine Kraft gegen meine. Du bist zu schwach, um die Shadun noch länger zu führen.“
„Was glaubst du denn, wer Anführer wird, wenn ich sterbe?“, erwiderte Tristan mit unendlich müder Stimme. „Ich leite die Shadun nur. Wenn ich sterbe …“
„… dann werde ich die Shadun führen!“, unterbrach Mahedan.
„Oder Keelin“, widersprach Tristan.
Mahedan zischte genervt. „Das wird die Magie zu entscheiden haben. Aber eins sag ich dir: Ich werde nicht zulassen, dass mein Volk von einem verrückten Wolf mit Gedächtnisschwund geleitet wird. Also egal, wie unser Kampf ausgeht: Diese Nachfolge wird heute Nacht, hier und jetzt, geklärt!“
Tristan zuckte die Achseln und vollführte mit der Hand eine kreisende Bewegung. Sein Schwert erschien in der Luft vor ihm.
Jetzt schaltete Brahn sich doch noch ein. Mit hochrotem Kopf trat er neben Tristan. „Mahedan, wie kannst du es wagen, zu diesem Zeitpunkt einen Kampf zu fordern. Das ist nicht ehrenhaft, eines Shadun unwürdig. Du willst einen sterbenden Mann massakrieren!“
„Er ist schwach! Und wir stehen hier jetzt nur, weil ihr mich all die Jahre zurückgehalten habt, als noch Zeit genug war, einen fairen Kampf zu kämpfen. Und wir stehen hier, weil Eremon zu schwach war, sein eigenes Volk zu führen und es stattdessen in die Hände seines wahnsinnigen Sohnes und eines kranken Narren gelegt hat!“, brüllte Mahedan als Antwort.
Ich duckte mich instinktiv. Brahn hingegen verzog keine Miene.
„Du bist hier der Narr, Mahedan“, erwiderte er kalt. Er hätte noch mehr dazu zu sagen gehabt, aber Tristan hob in seiner gewohnt herrischen Art die Hand.
„Genug, Brahn. Ich befehle dir, jetzt zurückzutreten und dich nicht mehr einzumischen. Es wurde alles gesagt.“
Brahn zitterte zwar vor Wut, musste sich aber offenbar Tristans Befehl geschlagen geben. Er trat zur Seite, die Hände zu Fäusten geballt.
Keelin schnaufte fragend neben mir und lenkte dadurch meine Aufmerksamkeit auf sich. Mein Wolf beobachtete das Geschehen mit gespitzten Ohren, schien aber nicht zu verstehen, dass gerade sein bester Freund im Begriff war zu sterben.
Ich hingegen schlotterte am ganzen Körper, während sich die übrigen Shadun in einem lockeren Halbkreis um die beiden Kontrahenten formierten. Keelin und ich standen auf der anderen Seite, offenbar traute sich niemand näher an uns heran.
Auch gut.
Innerhalb der Menge hörte ich noch ein paar mahnende Stimmen, die Mahedan zur Vernunft bringen wollten, aber offenbar war es sein gutes Recht, Tristan zum Kampf zu fordern. Niemand schritt wirklich ernsthaft ein, die Asannen ebenso wenig wie die Mae, die lautlos an der rechten Seite neben dem Kampfplatz erschienen waren.
Viele Augen waren nass vor Tränen, doch niemand sagte etwas.
Zumindest nicht, bis im Hintergrund eine Stimme ertönte, die vermutlich nicht nur mir die Haare zu Berge stehen ließen: „Was ist hier los? Warum steht ihr hier alle mit Trauermine rum? Lasst mich doch mal durch, ihr Narren!“ Liah bahnte sich ihren Weg durch die Menge.
Mein Herz sank bis zum Erdkern.
Mahedan schien die Stimme ebenfalls gehört zu haben, denn mit einem Mal hatte er es eilig. Eine herrische Bewegung, schon flammte ein Kreis um ihn und seinen Gegner auf, trennte beide von mir, von Keelin, von Liah.
Die Elementarmagierin sagte wohl noch etwas, doch ich wandte den Blick vom Geschehen ab. Was jetzt folgte, wollte ich eigentlich weder sehen, noch hören.
Denn Tristan sterben zu sehen – das war das Letzte, was ich ertragen konnte.
Statt mich der Szene zu stellen,
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