Das Band der Magie
Intelligenz in Keelins Gehirn zurück. Er reagierte auf mein Ziehen und kam auf die Beine, parallel mit Mahedan.
Die beiden blickten sich über eine Entfernung von etwa zehn Meter bitterböse an. Ich trat entschlossen zwischen sie. „Wir gehen jetzt, Keelin!“, erklärte ich mit festerer Stimme als ich erwartet hatte. „Kämpfen kannst du, nachdem du wieder ein vollständiger Shadun geworden bist!“
Und tatsächlich: Keelin nickte. Er nahm meine Hand, drehte sich um und schlängelte sich durch die Menge sich aufrappelnder Mar hindurch.
Hinter uns brüllte Mahedan aus Leibeskräften: „Haltet sie auf. Haltet sie verdammt noch mal auf!“
Aber da hatte Keelin bereits auf seinen zwei Finger gepfiffen und ein schwarzer Schatten preschte von rechts heran. Nasur. Nicht schon wieder.
Das Pferd erkannte mich wohl auch, denn es musterte mich misstrauisch. Diesmal trug es kein Zaumzeug oder Sattel, offenbar kam es gerade von der Weide. Keelin störte sich nicht daran. Er packte mich, hievte mich mit Schwung auf den Pferderücken und hüpfte gleich hinterher.
Ich klammerte mich ängstlich an der Pferdemähne fest und wartete auf den Ruck, der auch gleich kam: Nasur jagte los.
Diesmal sprang uns niemand in den Weg. Alle waren noch viel zu geschockt über das Geschehene, um überhaupt zu reagieren. Während Mahedans wütende Rufe immer leiser wurden, näherten wir uns dem Tor. Meine Sorge wuchs: Was, wenn es geschlossen war?
Doch hier stand ein einsamer Wächter. Damian. Dunkel, als wäre es ein Jahrhundert her, erinnerte ich mich, dass er hier nach Tristans Frau suchen wollte. Jetzt öffnete er uns das Tor, als würde er derlei jeden Tag tun. Er blickte uns nicht an, als wir an ihm vorüberpreschten. Vielleicht konnte er sich nur so Mahedans direktem Befehl widersetzen.
Dann waren wir durchs Tor und Nasur streckte sich, um im vollen Galopp die Festung hinter sich zu lassen.
In all der Zeit spürte ich Keelins stahlharten Körper an meinem Rücken. Er sorgte dafür, dass ich nicht herunterfiel, bildete durch seine Arme rechts und links zwei Barrieren, um mich zu halten. Gleichzeitig waren sie auch eine Mauer, die uns trennte.
Er war angespannt, was ich ihm garantiert nicht verdenken konnte. Auch ich war noch so fassungslos, dass ich kaum einen vernünftigen Gedanken zu fassen bekam.
Tristan war tot. Tristan war ernsthaft tot.
An Liah wagte ich gar nicht zu denken. Was würden sie wohl mit ihr machen, so hilflos, wie sie da am Boden lag?
Und Brahn? Was würde er tun?
Als meine Gedanken Richtung Mahedan wanderten, wagte ich einen hastigen Blick zurück. In weiter Ferne ahnte ich mehrere Reiter. Sie hatten also die Verfolgung aufgenommen. Doch Nasur war das schnellste Pferd der Welt, hatte Liah mir erzählt. Mit Abstand.
So schnell würden sie uns also nicht einholen können. Zumindest das war ein echter Trost.
Und so jagten wir dahin, schweigend, verstört.
Irgendwann seilte sich Meeha vorsichtig aus meinen Haaren ab und hockte sich als winzige Maus auf meine Schulter. Mit merkwürdig orangenen Tentakeln, die aus ihrem Kopf wuchsen, klopfte sie mir ermutigend gegen den Hals. Dann klammerte sie sich fest und ließ ihre Tentakel im Wind wehen.
Auch sie war merkwürdig still, fast andächtig. Gerade hatte sich das Schicksal aller Völker in der Festung verändert. Es lag jetzt an uns, ihnen ihren rechtmäßigen Prinzen zurückzubringen.
Nicht auszudenken, wenn das schief ging …
Aber Moment mal! Meine Gedanken machten innerlich eine Vollbremsung. Wollte ich denn Keelin überhaupt nach Alkamir bringen, wie Tristan es verlangt hatte? Wollte ich das Risiko eingehen, ihn zu opfern? Ihn womöglich in den Tod zu führen?
Ich beantwortete diese Frage mit einem eindeutigen Nein, sah aber auch ein, dass Keelin da ein Wörtchen mitzureden hatte. Nur: Wie fragte ich ihn, ohne dass er sich sofort verwandelte?
Und, bei allen Nachtgeistern, wie lange würde er wohl noch als Mar herumlaufen können, bevor ihn der Wolf wieder holte?
Ich beschloss, Nasur erst mal die Chance zu geben, den Abstand zwischen uns und unseren Verfolgern weiter auszubauen. Und dann war es wohl an der Zeit, ein ernstes Gespräch mit Keelin zu führen.
Kapitel 20 – Das Band der Magie
Nach drei Stunden wurde Nasur langsamer. Er war wohl nicht wirklich müde, aber die Sicht wurde schlechter. Er verfiel erst in einen langsamen Galopp, dann in einen durchrüttelnden flotten Trab und danach in einen trödelnden Schritt. Keelin ließ ihn
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