Das Band der Magie
Kopf und Kragen reden konnte, tauchte Brahn plötzlich auf. Er tauchte eigentlich immer genau da auf, wo er gerade dringend gebraucht wurde. Wahrscheinlich war das seine größte Gabe.
„Gibt’s ein Problem?“, erkundigte er sich mit deutlich drohendem Unterton. Mahedan warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu und stand dann auf.
Bevor er aber ging, sah er mich noch einmal scharf an. „Denk drüber nach, Aeri! Keelin würde niemals wollen, dass sein Volk wegen ihm in Gefahr gerät. Also: Du hast es in der Hand. Hör auf, Tristan irgendwelche Flöhe ins Ohr zu setzen, dass du Keelin zurück zu uns bringen kannst. Das kannst du nämlich nicht. Wir verschwenden nur wertvolle Zeit!“
„Das reicht jetzt!“, sagte Brahn scharf. „Lass das Mädchen in Ruhe!“
„Ich hab auch alles gesagt, Brahn. Du brauchst dich also gar nicht so aufzuspielen!“ Mit diesen Worten ließ er uns einfach stehen. Wir sahen ihm schweigend hinterher, bis Damian das, was uns allen im Kopf herumging, mit einem einzigen Wort zusammenfasste: „Arschloch!“, sagte er verächtlich und spukte auf den Boden.
Ich gab ihm in Gedanken zwar recht, aber der Funken eines Zweifels war in meinem Kopf gesät. War ich wirklich für die Zukunft der Shadun verantwortlich?
Brahn schien zu spüren, was ich dachte, denn er unterbrach meine beginnenden Selbstzweifel. „Hör nicht auf ihn, Aeri! Er war schon immer gut im Argumentieren. Blöd nur, dass seine Argumente grundsätzlich egoistischer Natur sind. Er glaubt, nur er weiß, was richtig für die Shadun ist. Er ist ein Hohlkopf und ein Schwätzer. Mehr nicht.“
Aber Mahedan war kein Schwätzer. Er war bereit zu kämpfen. Das hatte er mir heute mehr als deutlich gemacht.
An diesem Abend verließ ich Keelin mit einem ausgesprochen unguten Gefühl. Wie viel Wahrheit steckte in Mahedans Worten? Hatte er mir nur Angst machen wollen? Oder hatte er womöglich ein kleines bisschen recht. Die Frage war nämlich: Wie krank war Tristan wirklich?
Die nächsten Tage beobachtete ich Tristan noch viel genauer, jede seiner Bewegungen, jedes Zucken seiner Muskeln – und da wurde mir allein bei seinem Anblick klar: Wir hatten nicht mehr viel Zeit, um Keelin ins Leben zurückzuholen.
Kapitel 19 – Die Flucht
Der Tag unserer Flucht begann höchst dramatisch – und das war der Auslöser, dass ich es überhaupt wagte, mit Keelin abzuhauen.
Ich schlief oben in meinem Zimmer und ich träumte gerade von meinen Dipdaps im Schrank, da wummerte es plötzlich an der Haustür. Ich saß senkrecht im Bett.
Hastig stand ich auf, huschte durch das verlassene Haus und öffnete die Tür. Vor mir stand Brahn, besorgt, panisch.
„Wo ist Liah?“, fragte er ohne Begrüßung.
„Keine Ahnung!“
Doch Liah war ausnahmsweise mal Zuhause, denn sie rief von oben herab: „Ich bin hier!“ Sie kam geschickt wie ein Äffchen zu uns hinunter, die Haare voller Äste und Geister.
„Danae ist weggelaufen und Tristan liegt ohnmächtig im Schlafzimmer. Wir müssen sie finden. Kümmere du dich um Tristan. Aeri, du kommst mit mir! Kein Wort zu irgendjemandem, verstanden?“
Ich folgte ihm noch im Nachthemd, ein langes, weißes Kleid, das mir bis zu den Fußknöcheln reichte. Die Schuhe standen zum Glück neben der Tür. Noch während ich sie mir über die Füße stülpte, hüpfte ich neben Brahn her.
„Wen suchen wir?“
„Danae. Tristans Frau.“
Okay. Die Information musste ich erst mal kurz verdauen. Tristan hatte eine Frau? Eine Ehefrau? Bei allen Dunkelgeistern …
„Oh, hä, hm…“, brachte ich unsinnig hervor. „Wie sieht sie denn aus?“
„Wie ein Skelett: ein abgemagerter Mensch, etwa deine Größe, mit Wahnsinn in den Augen. Wenn du sie siehst, wirst du wissen, dass es Danae ist. Glaub mir.“
Ein Mensch? Tristan war mit einem Menschen verheiratet?
„Braune Haare? Schwarze?“
„Sie hat gar keine Haare mehr. Alle ausgefallen. Und jetzt such und versuch dabei möglichst unauffällig zu sein!“
Weil ich ohnehin sprachlos war, huschte ich einfach los.
Pech für uns: Das Dorf schlief eigentlich nie.
Es waren zwar deutlich weniger Mar unterwegs, aber die Asannen ruhten sich häufig bis mittags aus und waren entsprechend noch weit bis nach Mitternacht unterwegs. Von daher traf ich noch so manchen neugierigen Mar. Ich wich ihnen aus und suchte stattdessen nach einem Skelett.
Stunden später wurde ich immer ratloser. Ich eierte in der Gegend herum, ohne so genau zu wissen, wo ich mich überhaupt
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