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Das Band der Magie

Das Band der Magie

Titel: Das Band der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Mars
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Keelin! Wo steckst du? Keelin!“
     
    Ich musste einfach wissen, wer da meinen Wolf rief. Die Stimme zog mich magisch an, zwang mich geradezu, einen Fuß vor den nächsten zu setzen.
    Es war ein Mann, so viel stand fest. Jünger. Zwischen zwanzig und dreißig, vermutete ich.
    Weil mir der Bogen ohnehin nichts genützt hätte, ließ ich ihn zurück. Die Pfeile hielt ich wie Mini-Speere in beiden Händen, umklammerte sie wie eine Ertrinkende ihr Floß.
    Der Ruf wurde lauter, ich kam näher heran.
    Als sich eine zweite Stimme hinzugesellte – auch sie rief nach Keelin – verharrte ich kurz. Zwei Männer? Das jagte mir noch mehr Angst ein, aber ich konnte auch nicht umdrehen. Sie suchten Keelin!
    Ich bezweifelte, dass sich noch ein zweites Wesen namens Keelin in meinen Wäldern herumtrieb. Verwechslung eher ausgeschlossen.
    Das Schleichen fiel mir natürlich deutlich schwerer als noch vor einem Jahr. Ich wusste, dass der Farn hinter mir wippte, dass die Äste leise knarzten, alles wirklich nur ein ganz kleines bisschen, aber ein geübter Jäger konnte so etwas hören. Trotzdem näherte ich mich weiter, duckte mich so tief ich konnte zwischen Büschen, Bäumen und Farn.
    Das erste, was ich von den Unbekannten sah, war schlohweißes Haar. Lang, im Nacken zusammengebunden, ordentlich gekämmt. Waren die Männer doch älter als gedacht?
    Dann sah ich die spitzen Hörner eines Waris, ein großes Tier: fast zwei Meter Brusthöhe. Seine sechzehn Spitzen am Geweih zeigten, dass es schon sehr alt war – und die Vergoldungen, dass sein Besitzer reich sein musste. Außerdem musste der Reiter sehr tolerant sein. Die meisten schnitten ihren Reittieren die Geweihe ab, meist zur eigenen Sicherheit, eine sehr schmerzhafte Tortur für die Tiere. Andere, wie die Kutscher, züchteten die Geweihe einfach weg.
    Dieses hier aber war unversehrt.
    Das Tier stand ruhig und wartete, während sein Reiter abermals Keelins Namen rief. Dabei formte er vor seinem Mund eine Art Trichter, um den Schall zu bündeln.
    Das war das nächste, was ich wahrnahm: Dass der Reiter große Hände hatte, kräftige, lange Finger. Arbeiterhände. Sie verschwanden fast in seiner grauen Robe.
    Mehr konnte ich nicht sehen, denn ein großer Busch versperrte mir die Sicht.
    Aufstehen und sich zeigen? Weglaufen und sich in Sicherheit bringen?
    Ich stand auf, noch ehe mein Gehirn wirklich den Entschluss gefasst hatte. Es war ähnlich wie bei der Höhle: Menschen zogen mich einfach magisch an, ungeachtet aller Gefahren.
    Das Wari witterte mich natürlich sofort und drehte den mächtigen Kopf herum. Es zuckte kurz zusammen, als ich von der Böschung heruntersprang und keine zwei Meter entfernt aufkam.
    Der Sprung hätte elegant sein sollen, war er aber nicht. Doch ich stolperte und in letzter Sekunde fing ich meinenden Sturz mit den Händen ab. Meine Knie knallten trotzdem auf den Boden, was mir wieder einmal durch und durch ging.
    Wie viel Schmerz konnte eine Schulter ertragen?
    Ich kam recht schnell wieder hoch, warf die völlig struppigen Haare nach hinten und funkelte Wari und Reiter von unten her an.
    Das Wari glotzte, ebenso der Reiter.
    Es war tatsächlich ein Mann, Ende dreißig, schätzte ich. Das sah ich an seiner Haut und den wenigen Falten um Augen und Mund. Er hatte zwei Grübchen rechts und links an den Mundwinkeln. Und unfassbar grüne Augen. Schöne Augen. Sanfte Augen. Freundliche Augen.
    Die sich gerade zu Schlitzen verengten, als er mich musterte.
    „Nanu? Seit wann regnet es Waldbewohner?“, fragte er erstaunt. Sein Wari trat sicherheitshalber zwei Schritte vor mir zurück.
    Ich baute mich zu meiner vollen Größe – meinen mickrigen eins fünfzig – auf und wollte etwas Kluges sagen, aber es hatte mir die Sprache verschlagen. Ganz plötzlich. Der Reiter sah auf einmal so gigantisch aus, so majestätisch.
    Ich glotzte also ungefähr so intelligent wie das Wari.
    Auch der Reiter musterte mich. Gründlich. Er musste meine Linien im Gesicht sehen, trotz des Schmutzes und des Drecks. Sie leuchteten wie immer. Manchmal strahlten sie so hell, dass ich sogar in völliger Dunkelheit hätte lesen können - wenn ich denn hätte lesen können.
    Als der Reiter wieder zum Sprechen ansetzte, rechnete ich deshalb mit einer Beleidigung. Doch stattdessen sagte er freundlich: „Ich werde dir nichts tun. Keine Angst! Aber vielleicht könntest du diese Zahnstocher da wegtun?“ Er deutete auf meine Pfeile.
    Ich sah erst ihn an, dann die Pfeile, dann wieder ihn. Als

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