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Das Band der Magie

Das Band der Magie

Titel: Das Band der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Mars
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selbstverständlich nicht anrührte. Danach ging es mir schon viel besser.
    Die Geister waren natürlich mit umgezogen und ich glaube, sie mochten die neue Hütte noch viel lieber als die alte. Diese Hütte war reinste Natur, während die andere durch Menschenhand in ihre Form gezwungen worden war: Eckig, geschliffen, geformt. Hier piekten die Äste, nichts war gerade, alles roch nach Baum. Der Farn wuchs schon bald durch meinen Fußboden hindurch und aus den verkrüppelten Resten des umgestürzten Baumes schob sich ein neuer Baum.
    Die Geister waren begeistert.
    Sie tobten den ganzen Tag durch die Äste, huschten von Zweig zu Zweig und wisperten, raschelten und heulten. Mich störten sie nicht, aber Keelin blieb die meiste Zeit draußen und kam nur kurz vor Sonnenuntergang rein.
    Ich vermisste meine alte Hütte trotzdem. Sie war heller und dadurch auch freundlicher gewesen. Ich hatte mehr Platz gehabt und es hatte sich eben wie ein richtiges Zuhause angefühlt.
    Hier hauste ich nur wie ein Tier in einer Höhle. Selten hatte ich mich so unmenschlich gefühlt.
    Hinzu kam, dass ich schlimm aussah. Ich hatte zwar keinen Spiegel, aber ich musste mir nur meine winzigen Arme anschauen. Sie sahen aus wie vertrocknete Äste, spindeldürr und widerlich. Es gruselte mir ja schon fast selbst vor mir.
    Mein erstes Bad nach Monaten tat furchtbar weh. Die Haut war aufgesprungen und brannte, der Dreck hatte sich eingenistet wie ein Tattoo. Und erst dann registrierte ich, wie verletzt ich wirklich war.
    Es war überhaupt nicht mehr lustig, wie geschwollen meine Knöchel waren. Wenn ich an meiner Schulter entlang tastete, spürte ich Knubbel, wo keine hätten sein sollen. Die Haut war komplett verhärtet, ein dicker Brocken Schmerz. Hinzu gesellte sich ein bohrender Kopfschmerz, der zu meinem ständigen Begleiter wurde, dagegen half auch der beginnende Frühling nicht.
    Und das Schlimmste: Ich konnte immer noch nicht jagen. Auf Dauer gingen mir die Beeren, Pilze, Kräuter und Fische bereits ganz schön auf die Nerven. Außerdem fütterten sie kein Fett an meine Rippen.
    Kurz entschlossen stand ich auf, ging in meine provisorische Hütte und holte meinen Bogen und die letzten zwei Pfeile. Schnitzen war fast ebenso unmöglich geworden wie das Spannen meines Bogens. Meine Finger waren zu großen, aufgedunsenen Würsten geworden. Vermutlich hatte ich mir erst Frost und dann die Gicht geholt. Super.
    „Wir gehen jagen!“, sagte ich zu Keelin. Der Wolf stand bereitwillig auf. Er wusste ganz genau, dass ich ohnehin nichts erlegen konnte. Nebeneinander trotteten wir dahin, schlugen uns in den mir so vertrauten Wald und atmeten den Duft des beginnenden Frühlings ein.
    Keelin wurde es bald zu langweilig. Er hasste es, wenn ich vor mich hin schlich, um möglichst lautlos zu sein. Er tollte lieber umher. Also schlug er sich bald mit fünf Hüpfern in die Büsche und jagte davon.
    Ich wusste, dass er die Luft um seine Nase wirbeln, die Pfoten so schnell er konnte auf den Boden trommeln und sich das Fell mal so richtig durchpusten lassen wollte.
    Ich gönnte ihm den Moment und schlich alleine weiter. Keelin störte ohnehin nur bei meinen verzweifelten Versuchen.
    Ich lief fast eine halbe Stunde allein durch den Wald. Der Gang half mir, die angespannten Muskeln ein bisschen zu lockern. Zwei Mal hatte ich auf Wild angelegt, aber beide Male hatte ich den Bogen kaum fünf Zentimeter spannen können. Der Pfeil machte einen traurigen Sturzflug, keine drei Meter weit. Das Wild blickte noch nicht mal auf.
    Eine Super-Jägerin war ich.
    Ich war kurz davor, wieder umzukehren, da hörte ich es. Zuerst dachte ich, ich hätte es mir eingebildet und lauschte angestrengt.
    Ein Baumgeist ploppte aus der Rinde vor mir heraus, bildete erst ein riesiges Kullerauge, das mich anglotzte, und dann ein riesiges Ohr. Witzbold. Ich warf ihm einen scharfen Blick zu, woraufhin der Baumgeist sich wieder zu normaler Rinde verwandelte. Dennoch war er noch da. Ich spürte seine Präsenz als angenehmes Prickeln auf der Haut.
    Der Geist hatte mich einen Moment abgelenkt, aber ich hörte den Ruf dennoch.
    Er jagte mir den größten Schauer über den Rücken, den ich je erlebt hatte. Als die Hütte weggeschwemmt wurde, hatte ich mich mies gefühlt. Als Keelin die Männer tötete, war ich entsetzt gewesen. Als die Wachen in der Stadt mich gejagt hatten, war ich traurig gewesen.
    Jetzt war ich alles zusammen und noch viel mehr.
    Denn wer immer dort rief – er rief: „Keelin!

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