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Das Band der Magie

Das Band der Magie

Titel: Das Band der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Mars
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nicht, ich bekam ja noch nicht mal mehr die Tür auf.
    Ganz zu schweigen davon, dass ich überhaupt gar nicht raus wollte: Dieser Winter war so kalt, wie ich es noch nie erlebt hatte.
    Es war sogar so eisig, dass selbst die Luftgeister die Lust am Tanzen verloren. Stattdessen hatten sie sich in meine Hütte verzogen und schwebten durchsichtig und schweigend vor sich hin.
    Woher ich überhaupt wusste, dass sie da waren?
    Nun ja, ich spürte sie. Immer mehr. Ich hörte ihre beruhigenden Stimmchen, ohne ein Wort zu verstehen. Sie unterhielten sich nicht direkt, es war eher wie ein durchgehendes sanftes Rauschen. Wie Blätterrascheln, Quellenblubbern und Vogelgezwitscher in einem.
    Sie waren überall – und es wurden immer mehr.
    Keelin ignorierte sie, obwohl sie in jeder einzelnen Haarsträhne seines Fells hingen. Sie belagerten ihn quasi, neckten ihn aber zum Glück nicht mehr. Es war, als sei ihm eine zweite Haut gewachsen – eine ziemlich unruhige Haut, muss ich zugeben.
    Ich vermisste meine Schneespaziergänge schrecklich. Die vergangenen zwei Winter waren zwar immer anstrengend gewesen, aber niemals wirklich gefährlich: Ich war immer gut vorbereitet gewesen, kerngesund.
    Jetzt sah das völlig anders aus.
    Und es hörte auch nicht auf: Als die klirrende Kälte endlich verschwand und der Schnee schmolz, schwoll stattdessen der Fluss an. Sein Getöse verfolgte mich bis in den Schlaf. Das brüllende Wasser kam immer näher.
    Ich ahnte, dass wir absaufen würden.
    Das Fatale war, dass wir wirklich nirgendwo hin konnten. Meine Hütte, die zwanzig Quadratmeter verschwurbeltes Holz, waren mein Bollwerk, mein Schloss, mein Schutz gegen alles Übel da draußen. Sie hielt den Schnee ab, die Kälte, die Nässe, die Tiere und all das Schlimme, das in der Nacht lauerte. Sie zu verlieren, war undenkbar.
    Die Hütte hatte den Schnee und die Kälte einigermaßen heil überstanden. Sie war zwischendurch so vereist gewesen, dass sie zu einem regelrechten Iglo gefroren war und hatte dadurch auch automatisch die Wärme gespeichert. Doch als sie auftaute, brach das Holz an vielen Stellen und genau da sickerte jetzt jede Menge Wasser herein.
    Dazu kam der schneidend kalte Wind.
    Meine Hände waren Tag und Nacht eiskalt und ungelenk. Ich konnte kaum noch meine Finger bewegen. Meine Schulter war steifer als jemals zuvor, ich konnte den Kopf nur noch wenige Zentimeter hin- und her bewegen. Alles tat mir weh, da halfen selbst Witze und das warme Fell meines Wolfes nicht mehr.
    Wir zwei stanken außerdem wie zwei ersoffene Biber – halb vergammelt und moderig.
    Mein neues Mantra war: „Alles geht mal vorbei, Keelin! Wir müssen nur durchhalten!“
    Eines Tages riss der Bach, der jetzt eigentlich ein reißendes Meer war, meinen Vorratsschuppen einfach mit sich. Da war mir klar, dass ich mein Bollwerk aufgeben musste.
    Doch wohin?
    Durch den Schlamm konnte man sich kaum quälen. Außerdem tobte draußen ein Sturm, die Bäume knackten und brachen, auch sie waren mit ihrer Kraft am Ende. Die Geister heulten und jammerten.
    Es war eigentlich Tag – und doch war es dunkelste Nacht. Es war die schwärzeste Stunde des Jahres.
    Weil mir nichts anderes einfiel, kletterte ich auf Keelins Rücken, über und über mit Vorräten behängt. Was gar nicht mal mehr so viel war. Ich hatte jedes Stück Fell um mich herum geschlungen, das ich besaß, fehlten nur noch mein Bogen, die Hühner und Meeha.
    Den Bogen zog ich mir über die mageren Schultern, die Hühner scheuchte ich nach draußen und Meeha verstaute ich sorgfältig in meinem Ausschnitt. Dann ging es schon los.
    Kaum hatte mich Keelin aus der Hütte hinaus getragen, ertränkte uns schon der Regen. Jetzt rochen wir nicht mehr nur noch wie ersoffene Biber: Wir sahen auch noch so aus.
    Keelin watete knöcheltief durch den Matsch, den Kopf gegen den schneidenden Wind gesenkt, die Augen zu Schlitzen verengt. Ich vergrub mein Gesicht in seinem stinkenden Fell. Das Wasser umfloss mich, als hätte ich gar keine Kleidung an.
    Ich wusste nicht, wohin Keelin mich bringen würde, vertraute aber darauf, dass er eine Idee hatte.
    Und tatsächlich: Keelin brachte mich zur Höhle. Zwei Tage Fußweg bis dorthin, aber sie war wirklich der einzige Ort weit und breit, an dem wir noch einigermaßen Schutz finden konnten.
    Blöd nur, dass dort ein Usurpator Winterschlaf hielt.
    Keelin musterte das schlafende Ungetüm, während wir tropfend im Eingang standen. Dann warf er mir einen undefinierbaren Blick zu und hockte

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